Algeria-Watch: Text

Deutschland hat von Rettungsaktion gewusst

BND-Chef war in Algerien / Lösegeld gezahlt?

Ralph Schulze, Schweriner Volkszeitung, 17. Mai 2003

Algier. Die deutsche Bundesregierung war vor Beginn der Befreiungsoperation der europäischen Geiseln durch die algerische Führung über die Rettungsaktion informiert worden. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, der am Montag mit Außenminister Joschka Fischer zu den wohl entscheidenden Gesprächen über das Geiseldrama nach Algier gereist war, blieb im Auftrag der deutschen Regierung so lange vor Ort, bis die 17 Geiseln der ersten Gruppe aus den Händen der Terroristen befreit waren. Dies bestätigten deutsche Sicherheitskreise. Die Bundesregierung wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Fischer war nach zehnstündigen Verhandlungen mit der algerischen Regierung am Montagabend weiter nach Tunesien geflogen. BND-Chef Hanning blieb mit einem BND-Expertenteam in geheimer Mission in Algerien. Hanning stand dem Vernehmen nach während der Rettungsoperation in ständigem Kontakt mit dem algerischen Sicherheitsdienst DRS und dessen General Mohamed Mediene.

Außenminister auf dem Laufenden gehalten

Der DRS leitete auf algerischer Seite den Befreiungseinsatz. Hanning hielt während der Rettungsaktion Außenminister Fischer und auch Kanzler Gerhard Schröder permanent auf dem Laufenden. Erst am Dienstagmittag, als das Leben der ersten Gruppe gesichert war, flog der BND-Präsident nach Deutschland zurück. Auch die Regierungen in Wien und Bern waren demzufolge eingeweiht.

Unklar sind weiterhin die genauen Umstände der Befreiung am Dienstagmorgen, die einen Tag später, am Mittwochmorgen durchgesickert war.

Geiseln berichten von heftigen Feuergefechten

Der französische Auslandsrundfunk RFI meldete gestern Zweifel an der Version des algerischen Militärs an, dass die 17 Geiseln durch einen Sturmangriff freikamen. Der Rettung seien Verhandlungen um ein Lösegeld in einer Höhe von mehreren Millionen Dollar vorausgegangen. Auch zur Befreiung der zweiten noch gefangenen Geiselgruppe, in der sich vermutlich zehn Deutsche, vier Schweizer und ein Schwede befinden, seien Lösegeldverhandlungen im Gange. An den Verhandlungen seien Algerien, die westlichen Regierungen und als Vermittler ein weiteres afrikanisches Land beteiligt.

Auch die befreiten Geiseln hatten darüber berichtet, dass die algerischen Terroristen, die der « Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf » (GSPC) zugeordnet werden, von Lösegeld gesprochen hatten. Mehrere Geiseln bestätigten jedoch, dass sie durch einen Angriff algerischer Elitesoldaten befreit worden seien. Es habe « heftige Feuergefechte » gegeben.

Deutsche Sicherheitsexperten weisen darauf hin, dass durchaus taktische Verhandlungen vorausgegangen sein können, um etwas Zeit zu gewinnen.

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