Wie sich Gaddafi als Helfer inszeniert

Wie sich Gaddafi als Helfer inszeniert

Von Matthias Gebauer, SPIEGEL ONLINE – 18. August 2003

Noch vor der Freilassung der Sahara-Geiseln brüstet sich Libyen, den deutschen Behörden in der Wüste massiv bei den Verhandlungen geholfen zu haben. Die Mitteilung kommt nicht zufällig: Muammar Gaddafi versucht derzeit mit allen Mitteln, seinen Ruf als Terror-Helfer loszuwerden.

Berlin – Kaum noch jemand hat einen Überblick über die Dutzende von Unterhändler und Boten, die im Geisel-Drama in der Sahara Nachrichten und Angebote transportieren. In Algerien, Mali und an vielen anderen Orten dieser Erde arbeiten sie an einer möglichen Lösung mit oder beobachten das Geschehen. Gewöhnlich wollen diese Menschen jedoch in Manier der Geheimdienste eher im Dunkel bleiben.

Ganz anders der Staat Libyen. Während am Montag in Mali die Lage noch mehr als unklar war, meldete sich der als Terror-Unterschlupf bekannte Wüstenstaat per Pressemitteilung ungefragt zu Wort. Über das deutsche Sprachrohr, die nach dem Diktator benannte Gaddafi-Stiftung in Berlin, teilte Tripolis mit, die in Algerien entführten Sahara-Touristen seien bereits seit Sonntag nicht mehr in der Hand ihrer Entführer. Noch am Montagabend würden sie Kontakt zu ihren Familienangehörigen bekommen.

Neben diesen positiven Ankündigungen enthielt das Fax vor allem
Mitteilungen in eigener Sache. In diesem Fall zur eigenen Rolle bei der möglichen Befreiung der Geiseln. « An der Befreiungsaktion waren sowohl Mitarbeiter der Stiftung wie auch des deutschen
Bundesnachrichtendienstes (BND) mit beteiligt », schrieb der Sprecher
forsch. Der Stiftung gehe es um ein friedliches Ende des Geiseldramas und darum, weiteren Schaden für den Tourismus in der betroffenen Region abzuwenden.

Erstaunen beim BND

Die Intention der Mitteilung war wohl eine andere: Mit oder vielmehr nur durch libysche Mithilfe sei der Durchbruch bei den Verhandlungen gelungen. Auch zu den bisher ziemlich unklaren Verhandlungen in der Wüste lieferte die Stiftung interessante Details. Einem Mitarbeiter der Organisation sei es gelungen, die Höhe des geforderten Lösegeldes entscheidend zu reduzieren und Unstimmigkeiten über die Übergabe zu beseitigen. « Damit ist das letzte Hindernis zur Befreiung der Geiseln beseitigt », so der Text weiter.

In Deutschland sorgte die Meldung für Erstaunen. Der
Auslandsgeheimdienst BND wollte sich nicht zu der Darstellung der
Stiftung äußern. Schon im Laufe der Geisel-Affäre gab es immer wieder Gerüchte und Medienberichte, dass sich Libyen, wie schon im Jahr 2000 bei der Freilassung von auf den Philippinen verschleppten Geiseln, für eine Vermittlerrolle angeboten hatte. Sicherheitskreise wollten die Erklärung Libyens weder dementieren noch bestätigen, zumal die Geiseln bis zum Montagnachmittag noch immer nicht in Sicherheit waren.

Aus der Sicht Libyens jedoch machte die in solch heiklen Verhandlungen unübliche Indiskretion durchaus Sinn. Passgenau fügt sie sich in eine PR-Kampagne, die das Land seit Monaten betreibt, um endlich den Ruf eines Terror-Staats und damit auch die lästigen Sanktionen vieler Staaten loszuwerden. Einer der Schritte dazu war vergangene Woche das Eingeständnis der Mitschuld an dem Terror-Anschlag auf die PanAm-Maschine über dem schottischen Lockerbie im Jahre 1988. Ergänzt wird die Kampagne durch andere Zugeständnisse und Sündenablässe für die Opfer des Bombenattentats in der Berliner Diskothek « La Belle » und einem
weiteren Anschlag auf einen Passagier-Jet.

Die angebliche Beteiligung an einer Geisel-Rettung könnte Libyen bei der Rückkehr in die Normalität weiter helfen. Auch wenn niemand in Deutschland diese offiziell zugeben oder kommentieren wird, nutzen solche Goodwill-Aktionen im Hintergrund bei Verhandlungen. Geht es nach libyschem Willen, sollen so noch in diesem Jahr alle Sanktionen gegen den Wüsten-Staat aufgehoben werden. Stimmen die Behauptungen der Stiftung, könnte Muammar Gaddafi dabei zumindest auf die deutsche Unterstützung hoffen.