Algeriens Präsident besucht Deutschland / Menschenrechtler mahnen Regierung

Viele Fragen an Bouteflika

Algeriens Präsident besucht Deutschland / Menschenrechtler mahnen Regierung

Von Pitt von Bebenburg (Berlin), Frankfurter Rundschau, 2. April 2001

Am heutigen Montag kommt der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika zu einem Staatsbesuch nach Berlin. Menschenrechts-Organisationen mahnen die deutsche Regierung, Aufklärung über das Schicksal von Bürgerkriegs-Opfern von ihm zu verlangen. Zugleich werfen Berichte über angebliche Verstrickungen des Militärs in Massaker während des « schmutzigen Krieges » Fragen auf.

An hochrangigen Gesprächspartnern fehlt es Algeriens Staatschef Bouteflika in Deutschland heute und morgen nicht. Nachdem er sich ins Goldene Buch der Stadt Berlin eingetragen hat, trifft er Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Dazwischen stehen Termine mit hochrangigen deutschen Wirtschaftsvertretern auf dem Programm, darunter Industrie-Präsident Ludolf von Wartenberg. Algerien hat Erdgas und Erdöl zu bieten. « Das wirtschaftliche Interesse an Algerien drückt die Menschenrechte nach hinten », fürchtet deshalb der Grünen-Europaabgeordnete und Maghreb-Kenner Daniel Cohn-Bendit.

Das Krisenland Algerien, in dem seit Anfang der neunziger Jahre Bürgerkrieg geführt wurde, ist nach Einschätzung des Westens auf dem Weg der Demokratisierung, seit Präsident Bouteflika im Jahr 1999 an die Macht kam. Menschenrechtsgruppen sind skeptisch. Algeria Watch spricht von einem « blutigen Frieden » und notiert, dass weiterhin in jedem Monat Dutzende Menschen massakriert und erschossen würden. Ein neues Massaker islamistischer Extremisten forderte am Wochenende in einem Dorf 120 Kilometer südlich von Algier erneut fünf Todesopfer, darunter waren drei Kinder.

Amnesty International beklagt, dass die algerische Regierung das Schicksal der « Verschwundenen » trotz anders lautender Versprechen nicht aufgeklärt habe. Die Organisation habe seit 1992 mehr als 4000 Fälle von Menschen dokumentiert, bei denen zu befürchten sei, dass sie in geheimer Haft gefoltert wurden. Einer Arbeitsgruppe der UN, die nachforschen wollte, habe Algier im Jahr 2000 die Einreise verweigert.

Die Lage in Algerien hat in Deutschland kaum Beachtung gefunden. So hat der Menschenrechtsausschuss des Bundestags sich nach eigenen Angaben nie eingehend damit befasst. Anders sieht es in Frankreich aus. Dort haben jüngst Berichte über Gräuel der Armee im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen Aufsehen erregt. In zwei Büchern schreiben ehemalige Angehörige der Streitkräfte darüber, wie Soldaten und Milizen Massaker verübt hätten – als Islamisten verkleidet.

Ähnliches gaben algerische Flüchtlinge in Deutschland zu Protokoll. Beachtet wurde es nicht, und es bewahrte die Asylbewerber nicht vor Abschiebung. In den vergangenen Jahren sei « kaum ein algerischer Asylsuchender in Deutschland anerkannt worden », notiert Pro Asyl. Im Jahr 2000 billigte das Bundesamt gerade mal acht Algeriern einen Asylanspruch zu – von 1893, die sich darum bemühten. Nach Ansicht der Grünen-Politikerin Christa Nickels zeigt dies deutlich, « dass es Schutzlücken im deutschen Asylrecht gibt ».

Nickels, die soeben Vorsitzende des Menschenrechts-Ausschusses geworden ist, meint damit, dass in Deutschland die gezielte Verfolgung von Frauen kaum berücksichtigt werde. Zum anderen bezieht sie sich darauf, dass nur die staatliche Verfolgung als asylrelevant gilt. « Daher haben vor allem die Opfer gewalttätiger algerischer Gruppierungen, die sich ,islamisch’ nennen, keine Aussicht auf Erfolg im Asylverfahren », beklagt die Grüne. Deswegen ist auch innenpolitisch bedeutsam, ob möglicherweise als Islamisten getarnte staatliche Kräfte an Massakern – etwa in dem Ort Bentalha 1997 – beteiligt waren.

Alle diese Fragen müssten Bouteflika gestellt werden, meint Pro Asyl. Man müsse mit ihm über die Menschenrechtslage sprechen, betont Nickels – und auch über den Schutz von Menschenrechtsaktivisten in Algerien.

 

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Dokument erstellt am 01.04.2001 um 21:08:12 Uhr
Erscheinungsdatum 02.04.2001