Fallbeispiele von « Verschwundenen »

Fallbeispiele von « Verschwundenen »

algeria-watch, April 2000

 

Herr Samir Hamdi Pacha, geboren am 23. April 1966, verheiratet, Vater von zwei Kindern und im Bereich Informatik tätig, floh 1993 in die USA, weil er aufgrund seiner FIS-Zugehörigkeit verfolgt wurde. Auch in den USA war er exilpolitisch tätig. Im Rahmen der sogenannten Amnestie (Gesetz zur zivielen Eintracht, gültig zwischen dem 13. Juli 1999 und dem 13. Januar 2000) für Reumütige fuhr er nach Algerien zurück und stellte sich den algerischen Behörden. Gleich am Flughafen wurde er am 2. November 1999 festgenommen und einer Bewährungskommission vorgeführt, die am 3. November 1999 eine Bescheinigung ausstellte, die ihn von jeglicher Strafverfolgung befreite. Am 22. Dezember 1999 erschienen zwei Männer in Zivil bei ihm zu Hause und stellten sich als Sicherheitskräfte vor, die ihn nur mal kurz zur Vernehmung mitnehmen wollen. Eine Woche später kamen diese beiden Männer ein zweites Mal und verlangten den Paß des « Verschwundenen ». Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

(Herr Samir Hamdi Pacha ist laut Angaben von Anwälten Anfang Mai 2000 im Militärgefängnis von Blida wieder erschienen. Er wird von seiner Familie besucht.)

 

Herr Malik Medjnoun, geboren am 15. Februar 1974, wohnhaft in Tizi-Ouzou (Kabylei) und arbeitslos, wurde am 28. September 1999 um 8.30 Uhr von Agenten des militärischen Geheimdienstes in einem Wagen der Marke R 19 entführt. Die Familie erfuhr durch einen Rechtsanwalt von der Anwesenheit des « Verschwundenen » in der Polizeischule von Chateauneuf.

(Herr Medjnoun ist laut Angaben von Anwälten Anfang Mai 2000 im Gefängnis von Tizi-Ouzou aufgetaucht)

 

 

Herr Ahmed Nabil Touati, geboren am 23. November 1974, ehemaliger Informatikstudent und wohnhaft in El Oued, wurde am 13. Mai 1999 um 20 Uhr von Sicherheitskräften in Zivil neben einem Taxiphone in El-Oued festgenommen. Sein Freund Layachi Laroussi wurde auf der Stelle erschossen. Ahmed Nabil wurde verletzt und abtransportiert. Die Familie weiß nicht, ob er noch lebt. Er war seit 1994 auf der Flucht und nicht mehr zu Hause erschienen. Die Zeitungen berichteten, daß zwei Terroristen festgesetzt worden wären, ohne die Erschießung von Laroussi zu erwähnen.

 

 

Herr Salah Saker, geboren am 10.1.57, Mathematiklehrer an einem Gymnasium in Constantine, verheiratet und Vater von 6 kleinen Kindern, wurde während der Parlamentswahlen von 1991 im ersten Wahlgang als FIS-Deputierter gewählt. Am 29. Mai 1994 wurde er zu Hause festgenommen und zum Zentralkommissariat von Constantine gebracht, wo er geschlagen und gefoltert wurde. Er mußte in das Militärkrankenhaus eingeliefert werden, von wo aus er in ein Zivilkrankenhaus verlegt wurde. Dann verschwand er. Die Polizei bestätigte die Festnahme von Herrn Saker und stellte der Familie eine Bescheinigung aus, die die Übergabe Herrn Sakers an den militärischen Sicherheitsdienst der fünften Region am 3. Juli 1994 attestiert. Das staatliche Observatorium für Menschenrechte (ONDH) hat auf Anfrage der Familie angegeben, Herr Saker sei von einer unbekannten Gruppe entführt worden, obwohl die Polizei selbst die Festnahme bestätigt!

 

Eine weitverbreitete Praktik ist die Sippenverfolgung. Oft werden Familienmitglieder festgenommen und für eine bestimmte Zeit festgehalten und gefoltert. Manchmal sind mehrere Mitglieder einer Familie verschwunden, wie im Fall der Familie Touloum:

Abdelkader Touloum (51 Jahre) Slimmane Touloum (17 Jahre) Ali Touloum (22 Jahre) Kaddour Touloum (22 Jahre)

 

Djamel Touloum (20 Jahre) Habib Zerrouki (31 Jahre) Toufik Zerrouki (22 ahre)

Während einer Durchkämmungsoperation am 26. April 1995 um 11 Uhr morgens in Eucalyptus, einem Vorort von Algier, wurde das Familienhaus der Touloum von kombinierten Kräften, bestehend aus Militärs, Polizisten und Milizionären in Zivil und Uniform gestürmt. Sie zerstörten die Eingangstür, holten unter Beschimpfungen und Schlägen die Männer heraus und nahmen sie schließlich mit: Herr Abdelkader Touloum, geboren 8. März 1944 und die Söhne Ali und Kaddour, geboren am 24. Mai 1973, ihre Vetter Slimane, geboren 27. März 1977, Djamel, geboren am 25. Oktober 1975, und zwei Neffen, Habib Zerrouki, geboren am 1. August 1965 und Toufik Zerrouki, geboren am 21. August 1974. Sie führten eine Hausdurchsuchung durch, bei der sie das Mobiliar zerstörten. Der Anführer fragte nach den anderen Jungs, die in der Schule waren. Er wollte auf sie warten aber sie verspäteten sich, und unter Beschimpfungen fuhren die Sicherheitskräfte fort. Die Mütter und Ehefrauen haben alle Anstrengungen unternommen, um Informationen über ihre Angehörigen zu erhalten. Anfang 1998 hat die Familie erfahren, daß alle Männer sich in einem Haftzentrum im Süden des Landes befinden sollen.

 

 

Familie Bellemou:

Smain Bellemou (56 Jahre) Abdelnacer Bellemou (39 Jahre) Yacine Bellemou (33 Jahre) Mouloud Bellemou (58 Jahre)

Smain Bellemou, geboren am 12. April 1940, Angestellter eines staatlichen Unternehmens, verheiratet, Vater von 8 Kinder, wohnhaft in Algier und Sympathisant der FIS, erhielt am 24. März 1996 den Besuch von zwei Polizisten in Zivil, die ihm eine Vorladung vom Zentralkommissariat von Algier für den 25. März 1996 um 10.30 Uhr aushändigten. Er ging dorthin und « verschwand ». In der darauffolgenden Nacht stürmten maskierte Sicherheitsagenten seine Wohnung und nahmen die Hochzeitsbilder seiner Tochter mit. Sein Sohn, der gesucht wurde, war untergetaucht und wurde am 11. Juni 1996 von der Sécurité Militaire erschossen. Als die Familie die verschiedenen Sicherheitsdienste nach dem Verbleib von Smain Bellemou fragten, antworteten diese, er sei im Untergrund und die Vorladung vom Kommissariat sei gefälscht.

Ein Neffe, Abdelnacer Bellemou, geboren am 16. September 1957, verheiratet, Buchhalter, wurde am selben Tag um 23.30 Uhr zu Hause festgenommen. Militärs und Fallschirmjäger stürmten die Wohnung, manche maskiert und bewaffnet, und durchsuchten die Zimmer, schmissen alles um und stahlen Geld. Der Vetter von Smain, Mouloud Bellemou, geboren am 10. Juni 1938, verheiratet, Vater von 6 Kindern und Händler wurde am 5. April 1996 um 5 Uhr morgens festgenommen. Er befand sich allein in der Wohnung in einem Vorort von Algier und wurde von Militärs, die mit Panzerwagen und schwer bewaffnet sich als Polizisten präsentierten, entführt. Es sind die gleichen Sicherheitskräfte, die zeitgleich den Neffen Yacine Bellemou, geboren am 12. Juli 1963, verheiratet, Vater von zwei Töchtern und Händler verhafteten, der wie die drei anderen « verschwand ». Ein weiterer Neffe, Fatah Bellemou war am 17. März verhaftet und genau ein Jahr später freigelassen worden.

 

Mohamed Selmouni, geboren am 15. Juli 1969, Algier, Dreher und behindert durch eine Beinprothese, wurde am 15. Januar 1995 vor seiner Haustür von maskierten und bewaffneten Männern in Zivil festgenommen. Als Herr Selmouni einem seiner Angreifer die Maske herunterzog schoß dieser. Am selben Tag fand eine Durchsuchung Wohnung der Eltern statt, bei der Geld, Schmuck und die Päße des Verschwundenen und des Vaters entwendet wurden. Der Vater und die Mutter wurden im September von der Polizei von Salembier (Algier) festgenommen und einen Monat lang festgehalten. Frau Selmouni, eine Frau von 61 Jahren, berichtet, daß sie in einem Folterzentrum war und mit 10 anderen jüngeren und älteren Frauen aus allen sozialen Schichten eingesperrt war. Alle wurden gefoltert. Einer der Folterer ließ sie zum Verhör aus der Zelle holen, er hatte rote Augen und schien stets woanders hin zu schauen. Er schloß sich mit ihr in einem Büro ein und schmiß sich auf sie. Sie wehrte sich und er wurde immer wütender, nahm Klebeband und band ihr die Hände fest. Schließlich vergewaltigte er sie. Von dem Sohn gibt es keine Spur.

 

Abdelkader Benchelef aus Ain Oussera bei Blida ist am 19. März 1977 geboren und Gymnasiast. Er wurde am 5. Juli 1994 auf der Straße von Sicherheitskräften in einem Wagen der Marke J5 entführt. Der Vater ging zur Gendarmerie von Ain Oussera, um sich nach dem Verbleib seines minderjährigen Sohnes zu erkundigen. Ihm wurde mitgeteilt, daß er nur kurz zur Vernehmung mitgenommen wurde und bald wieder freikommen würde. Das ONDH antwortete 1997 auf Anfrage der Familie, daß die Gendarmerie keine Festnahme des Verschwundenen vorgenommen hätte und darüber hinaus über keine weiteren Informationen verfügen würde.

 

 

Ahmed Abdoun, geboren am 31. Oktober 1922, verheiratet und Vater von 7 Kindern, Taxifahrer in Bourouba, einem Vorort von Algier, wurde am 23. Februar 1997 in Anwesenheit von Nachbarn und Passanten in dem Viertel La Montagne von Sicherheitskräften festgenommen, und sein Fahrzeug wurde gestohlen.

 

 

Brahim Salmi, am 13. Januar 1967 geboren, wohnhaft in Algier, Ingenieur und arbeitslos, Gelegenheitsverkäufer, wurde am 7. Dezember 1997 um 15 Uhr im Zentrum Algiers, als er aus der Moschee kam, entführt. Die Entführer fuhren mit drei Autos des Typs Daewo und Peugeot 205 vor. Ein Tag vorher war sein Freund Malik Jibril festgenommen worden. Er tauchte nach 42 Tagen im Gefängnis El-Harrach auf und wurde nach 15 Monaten am 13. Oktober 1998 freigelassen. Von Brahim Salmi fehlt jede Spur.

 

 

Brahim Gassa, geboren am 4. April 1965, verheiratet und Vater von zwei Kindern, war in der Armee als Unteroffizier bei Aflou, Laghouat tätig. Seine Frau und Kinder befanden sich in Bordj Bouariridj. Er hatte einen Urlaubsschein vom 22. August bis zum 29. August 1995 und wollte seine Familie abholen, um mit ihnen nach Djelfa zu fahren. Am 22. August brachte ihn ein Freund zur Taxistation, von wo aus er ein Taxi in Richtung Djelfa nahm. Der Freund rief die Familie an, um ihr die Uhrzeit der Ankunft des Mannes mitzuteilen. Zwei Tage lang warteten die Angehörigen, und am dritten Tag gingen sie nach Djelfa, um nach ihrem Sohn zu suchen. Sie fanden den Besitzer des Taxis, der berichtete, daß kurz vor Djelfa eine Militärsperre mit 8 Soldaten gewesen sei., die den Betroffenen mitgenommen hätten. Er hätte kurz später Gendarmen gesehen und sie gefragt, ob die Militärsperre echt sei, und sie hätten es bejaht. Die Angehörigen gingen selbst zu den Gendarmen, die die Festnahme durch die Militärs bestätigten. Sie fuhren anschließend zu der Kaserne, in der er stationiert war, und der Verantwortliche gab an, daß er nichts wüßte außer, daß Herr Gassa einen Urlaubsschein hätte. Zurück in Bordj hat die Familie Gerüchte gehört, daß der « Verschwundene » sich im Gefängnis von Batna befände. Die Mutter ging zu dem Sitz der fünften Militärregion, dort befahl man ihr, zu gehen und nicht ohne Vorladung zu kommen. Sie ging zur vierten Militärregion, dort empfahl man ihr, zum Militärgericht zu gehen. Sie sah den Verantwortlichen, der ihr mitteilte, ihr Sohn sei Opfer eines Anschlages von 3 Terroristen gewesen. Er versprach mit der Familie in Kontakt zu bleiben, meldete sich jedoch nie wieder. Sie ging erneut zum Militärgericht, wo ein Offizier sie fragte, woher sie so viel wüßte. Er fügte hinzu, daß die Akte am Gericht sei, ihr Sohn verdächtigt, aber abwesend wäre. Am 30.1.96 bekam sie die Aufforderung vom Gericht der 4. Militärregion, zwei Geburtsurkunden ihres Sohnes vorzulegen, und am 26. März wurde ihr Mann vom Gericht der 5. Militärregion vorgeladen. Er gab ihnen die Informationen, die sie wollten, aber die Familie erfuhr nichts neues.

 

Mourad Bennoua, geboren am 7. Mai 1960, wohnhaft in Algier, verheiratet, Vater von 2 Kindern und im Krankenhaus von Kouba (Algier) als höherer Techniker tätig, wurde am 26. Februar 1994 um 17 Uhr von Militärs festgenommen als er von einem Patienten zurückkam. An dem Tag wurden 7 Personen von denselben Militärs ermordet, 5 der Opfer wurden identifiziert, 2 nicht. Drei Stunden nach seiner Festnahme wurde eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Er war zuvor bereits inhaftiert worden und hatte, ohne vor Gericht gestellt zu werden, 13 Monate in Tissemsilt verbracht. Als er dann schließlich in Tiaret vor Gericht gestellt wurde, erhielt er einen Freispruch.

 

 

Rabah Souaine, geboren am 1. Januar 1966, wohnhaft in Algier war seit 1989 Berufsmilitär. Lange Zeit versuchte er erfolglos zu kündigen, bis schließlich im August 1994 seine Kündigung angenommen wurde, ihm aber nahegelegt wurde, sich sechs Monate Bedenkzeit zu lassen. Am 18. Dezember 1994 verließ er mit seinem Auto die Kaserne und verschwand.

 

 

 

Mahmoud Boutine, geboren am 6. Januar 1963, verheiratet, Vater von 4 Kindern, war Arzt in Jijel. Am 2. Oktober 1994 um 10 Uhr stürmten Gendarmen aus Jijel und Militärs seine Praxis und verhafteten 12 Personen, auch ihn. Manche wurden freigelassen, andere verschwanden. Von ihm fehlt jede Spur.

 

 

 

 

Messaoud Mimeche, geboren am 28. September 1972, wohnhaft in Algier, war Arzt in Praxis. Am 16. November 1997 um 10.30 Uhr wurde er in der Nähe eines Cafés im Zentrum Algiers mit seinem Vetter Said Mimeche von Sicherheitskräften in Zivil in Autos ohne Kennzeichen entführt. Said wurde nach 2 Tagen freigelassen. Ihnen wurde etwas über den Kopf gestülpt, damit sie nicht erkennen konnten, wohin sie geführt wurden. Said wurde 20 km von Algier, abends um 20 Uhr, abgesetzt. 30 Tage später kamen Polizisten in Zivil nach Hause und fragten nach einem Bruder und dem « Verschwundenen » selbst. Sie nahmen die Medizinbücher, Identitätspapiere und Kleidung des « Verschwundenen » mit.

 

 

Bouhal Mansour, geboren 1951, wohnhaft in Djelfa, verheiratet und Vater von acht Kindern, war Imam, vom Ministerium für religiöse Angelegenheiten in der Kommune Majbara angestellt. Das Haus wurde am 15. Mai 1994 vom Dach aus gestürmt, und die Gendarmen drangen ins Haus und nahmen ihn fest. Er wurde der Unterstützung des Terrorismus beschuldigt. An diesem Tag wurden weitere Personen in dem Ort festgenommen.

 

Sein Sohn Omar Mansour, geboren 1969, verheiratet und Vater eines Kindes, Angestellter in der Kommuneverwaltung von Bab Ouedi und wohnhaft am selben Ort wie sein Vater, wurde am 19. Mai 1994 zu Hause von Militärs und Gendarmen festgenommen. Manche waren maskiert, alle waren bewaffnet und mit Militärfahrzeugen angerückt. Sie nahmen mehrere Personen aus der Region Selmana fest, manche wurden wieder freigelassen, nachdem die Familien bezahlten (nach Aussage seiner Ehefrau). Er war 9 Tage vorher schon einmal festgenommen worden und zur Gendarmerie von Massad geführt worden. Dort war er 26 Tage geblieben und gefoltert worden. Er wurde beschuldigt, den Terroristen Personen als Zielscheibe genannt zu haben (ein ehemaliger Befreiungskämpfer und sein Sohn). In der Tat waren beide drei Monate vor der ersten Inhaftierung Omar Mansour ermordet worden. Von beiden gibt es keine Spur.

 

Frau Kheira Saidi schrieb einen Brief an verschiedene Stellen, worin sie ihr Leid und das ihrer Söhne schildert. Ein Sohn wurde von den Sicherheitskräften gesucht, und diese rächten sich an der Familie, weil sie ihn nicht faßten. Mahfoud, ein weiterer Sohn, wurde immer wieder abgeholt und jedesmal gefoltert. Er sollte ihnen Informationen geben, die er nicht hatte. Als sie zum wiederholten Male kamen und ihn nicht antrafen, nahmen sie seinen Bruder Amirouche mit, der acht Tage lang bei ihnen blieb und brutal gefoltert wurde. Ihm wurde ins Fleisch geschnitten, der Körper verbrannt, die Ohren durchstochen bis Blut floß, usw. Als sie ihn freiließen, warnten sie ihn, daß sie ihn wieder mitnehmen, wenn sein Bruder sich nicht stellen würde. Er mußte sich jeden Tag im Kommissariat melden. Das letzte Mal, als er hinging, kam er nicht mehr wieder. Seither ist er « verschwunden ». Dann fing die Qual für den Sohn Hakim an, der Student war und seinen Magister in Wirtschaft vorbereitete. Er wurde jeden Morgen und jeden Abend zum Kommissariat geführt, und mußte ihnen sagen, wo seine zwei Brüder waren. Dabei hatte er keine Ahnung davon. Auch er wurde gefoltert und fing an, das Leben zu hassen. Eines Tages kam er nicht mehr vom Kommissariat zurück. Ein Jahr verging, dann kamen sie wieder und nahmen Samir und Sidali mit. Sie blieben 18 Tage bei ihnen, sie wurden gefoltert und dann freigelassen. Eines Tages ging die Mutter aus dem Haus, um zur Arbeit zu gehen, und wurde von Sicherheitskräften erwartet. Sie fragten sie nach ihren Söhnen und nahmen sie mit. Sie banden ihr die Augen zu, und sie weiß nicht, wohin sie geführt wurde. Sie hielten sie 3 Tage fest, in denen sie gefoltert und vergewaltigt wurde. Sie wurde schließlich auf der Straße abgesetzt und mußte in einem extremen Zustand mit dem Taxi nach Hause fahren. Ihre beiden Söhne sind weiterhin verschwunden.

 

Lyes Kabri, geboren am 3. Mai 1966, wohnhaft in Chebli, Wilaya von Blida, wurde im Rahmen einer Durchkämmungsoperation am 16. August 1995 um 8.30 Uhr mit einer Reihe anderer älterer und jüngerer Männer von der Militärpatrouille der Stadt Chebli festgenommen. Der Familie wurde gesagt, daß es sich lediglich um Vernehmungen handeln würde und die Festgenommenen nach spätestens drei Tagen wieder frei kämen. So geschah es auch mit allen anderen, und als die Mutter zur Gendarmerie ging und nach ihrem Sohn fragte, bekam sie die Antwort, daß dieser höchstens eine Woche bleiben würde, denn es läge ja nichts gegen ihn vor. Später allerdings leugneten sie die Festnahme. Die Mutter versuchte im Verteidigungsministerium vorzusprechen, wurde allerdings abgewiesen. (Siehe den Fall von Ibrahim Adil, weiter unten)

 

Rabah Rezig, geboren am 17. März 1964 in Tablat (Wilaya Medea), seit 1981 Französischlehrer, wurde am 14. August 1995 um 2 Uhr morgens von zu Hause entführt. Militärs unter der Führung von Leutnant Baba el Hachmi (der Wachmann Larbi Soualem und ein gewisser Hadjhouch Mohamed el-Dhib waren dabei) stürmten in Begleitung von den Kommunalgarden Abdelkrim Grin und Abdallah Bouchoucha die Wohnung und sagten, sie wollten Rabah zu einer Vernehmung mitnehmen und gleich wieder freilassen. Einer unter ihnen provozierte die Familie und sagte: « Bittet um die Gnade Gottes für ihn ». Der Bruder Hafid antwortete, indem er sich Rabah zuwandte: « Sprich die Schahada (Glaubensbekenntnis) ». Er wurde auch gleich mitgenommen. Am nächsten Tag leugnete der Offizier, sie festgenommen zu haben. Das Haus der Familie befindet sich ganz in der Nähe des Kommissariats und der Gendarmerie. Sie haben 7 andere Personen in dieser Nacht festgenommen, die alle « verschwanden »: der Bruder Hafid, geboren am 25. Januar 1966, Ramdane Hamani, Abdelkrim Khalfi, Mohamed Boumaata, Mohamed Boutlis, Kamel Hamdadou, Amrou Souri, Nourreddine Al-Achbi.

 

Benaissa Boulanouar, geboren am 18. August 1964, wurde am 20. April 1994 festgenommen. Über 40 Militärs, die grüne und gelbe Uniformen (Fallschirmjäger) trugen, stürmten um zwei Uhr morgens das Haus in Haouch Si Larbi (Wilaya Medea). Sie führten eine Hausdurchsuchung durch, waren sehr freundlich und korrekt und sagten, sie seien die in Draa Semmar (Medea) stationierten Kräfte. Ihr Chef war bekannt unter dem Namen Djelloul. Sie wollten die Papiere des Betroffenen und fragten ihn nach seinem Beruf. Er antwortete, daß er Lederjacken herstellt. Sie nahmen ihn mit und fuhren mit einem Dutzend LKW’s und Militärfahrzeugen fort. Sie versprachen, ihn am nächsten Tag wieder freizulassen. Genau eine Woche später nahmen sie seinen jüngeren Bruder fest, der an der Universität studiert, und fragten ihn nach Benaissa. Er blieb 13 Tage eingesperrt, ihm wurde aber nichts angetan. Von dem « Verschwundenen » fehlt jede Spur.

 

Ali Benamrouche, am 11. August 1970 geboren, arbeitslos, verheiratet, Vater eines Kindes und wohnhaft in einer landwirtschaftlichen Gegend bei Boumerdes, verschwand am 27. Januar 1995 um 21.45 Uhr. Die Mitglieder der Miliz Mohamed Ziane und sein Bruder Rabah, die Brüder Omar, Mohamed und Makhlouf Taachouit drangen mit einer Axt und einer Kalaschnikow ins Haus ein. Sie waren von Sicherheitskräften begleitet und nahmen Ali mit. Als der Vater am nächsten Tag zur Gendarmerie ging, wurde ihm gesagt: « Du hast deinen Sohn nicht angezeigt, als er den Terroristen zu essen gab, aber jetzt, wo man ihn entführt hat, kommst du zu uns. » Drei andere aus dem Viertel wurden zur gleichen Zeit entführt, sie sollen zum Kommissariat in Boudouaou gebracht worden sein.

 

 

Khadija Taieb (geborene Belaza), geboren am 3. April 1942, Mutter von acht Kindern und wohnhaft in Sakiba (wilaya Tipaza), wurde am 11. November 1995 um 11 Uhr entführt. Kurz vor der Präsidentschaftswahl vom 16. November 1995 ging sie zur Kommuneverwaltung, um ihre Wahlkarte abzuholen. Ihr wurde gesagt, sie solle am Samstag zurückkommen (später erfuhr die Familie, daß dies der Chef der Gendarmerie den Angestellten der Verwaltung befohlen hatte), was sie dann auch tat. An diesem 11. November wurde sie in einen anderen Raum geführt und « verschwand ». Ein Sohn, Mohamed Taieb, geboren am 10. März 1964, verheiratet, Vater von drei Kindern und Buchhalter in Oran, war von kombinierten Kräften im Juni 1995 festgenommen worden und seitdem « verschwunden. Ein zweiter Sohn Abderahman, geboren am 7. Februar 1967, verheiratet, Vater von zwei Kindern, ebenfalls Buchhalter bei einem Staatsunternehmen und wohnhaft in Sakiba (Tipaza), war am 23. Februar 1994 festgenommen worden und « verschwand ». An dem Tag hatten die Gendarmen das Haus umzingelt, waren über das Dach eingedrungen und töteten den Ehemann Ahmed und den Sohn Ali, den sie suchten.

 

Ibrahim Adil, geboren am 27. Februar 1960, wohnhaft in Chebli (Blida), verheiratet und Vater eines Kindes, Fahrer in einem Staatsunternehmen (EPENEMEDI), verschwand am 25. August 1995. Nach einer Durchkämmungsoperation in dem Viertel waren den Bewohnern die Identitätspapiere entwendet worden. Der Bruder des « Verschwundenen » ging zur Gendarmerie und benachrichtigte Ibrahim, daß sie ihn vorladen, um die Papiere zurückzugeben. Als er am 23. August dorthin ging, sagte man ihm, er solle am nächsten Tag zurückkommen, was er auch tat. Am 24. sagte man ihm erneut, am darauffolgenden Tag zu kommen, was er wieder tat. Am 25. ging er hin und kam nicht zurück. Sein Bruder Rachid war 5 Tage vorher festgenommen worden und hatte 20 Tage in der Gendarmerie von Chebli verbracht. Fünf Tage vor dieser Festnahme war Lyes Kabri, der aus dem selben Viertel stammt, entführt worden und ist seitdem « verschwunden ».

 

Omar Doumaz, geboren am 11. Februar 1958, Händler, verheiratet, Vater von zwei Kindern, wohnhaft in El-Harrach (Algier) und Mitglied der FIS, stellte sich der Sécurité Militaire am 6. Februar 1993 in Begleitung seines Vetters, selbst Agent der Sécurité Militaire. Er « verschwand ». Ein Mitgefangener berichtete der Familie, daß er im Militärgefängnis von Blida sei und darauf wartete, dem Untersuchungsrichter vorgeführt zu werden (1995). Danach erhielt die Familie keine Nachricht mehr von ihm. Seine Wohnung wurde acht Tage, nachdem er sich gestellt hatte, gesprengt. Der Vater und Bruder wurden auch festgenommen, letzterer wurde u.a. im Zentralkommissariat schwer gefoltert.

 

 

Hassan Mesbah, geboren am 13. Dezember 1962, wohnhaft in Algier und verheiratet, wurde am 16. Januar 1993 an seinem Wohnort von Sicherheitskräften festgenommen. Die Familie erfuhr, daß er sich im Gefängnis Serkadji befindet. Nach seinem Prozeß wurde er nach Tazoult überführt, wo er 6 Monate lang in Haft war. Nach dem immer noch ungeklärten Ausbruch von etwa 1000 Häftlingen fehlt jede Spur von ihm. Die Behörden geben keinerlei Information über seinen Verbleib.

 

 

 

Sidali Allalou, geboren am 22. Dezember 1964, Ingenieur, wurde am 19. Februar 1995 in seinem Auto verhaftet. Er war auf dem Weg zu seinem Freund D.M. Sein Schwager Mouloud Azzout, geboren 16. Juli 1964, war zwei Tage vorher am Flughafen von Oran festgenommen worden, als er auf dem Weg in die Türkei (Gruppenreise) war. Am 20. Februar 1995 um 22 Uhr erschien Mouloud gefesselt und begleitet von Soldaten in der Wohnung von D. in Eucalyptus (Algier), und um 23 Uhr begaben sie sich zu dem Freund Younes Soulah in Bab Ezzouar. Dieser wurde mit seiner Frau festgenommen. Sie verblieb 11 Tage in Chateauneuf und wurde dann freigelassen, er « verschwand ». Ein Jahr später erschienen zwei junge Männer bei der Familie Allalou, und einer erzählte, er habe als Gefangener in Haouch Chenou bei Blida die drei gesehen. Sidali war am 24. März 1993 festgenommen worden, hatte 47 Tage im Folterzentrum Chateauneuf und dann 10 Monate im Gefängnis von El Harrach verbracht und wurde am 8. Dezember 1993 schließlich freigelassen.

 

Rabhi Douadi, geboren am 20. November 1964, verheiratet, Vater von zwei Kindern, Angestellter und wohnhaft in Douaouda, wurde während einer Durchkämmungsoperation von den Gendarmen von Kolea festgenommen und zum Kommissariat geführt. Seitdem hat die Familie nichts mehr von ihm gehört. Mehrere Personen wurden am späten Nachmittag (18.30 Uhr) des 15. Januar 1995 festgenommen, aber später wieder freigelassen. Die Familie wandte sich an das ONDH, das am 24. Januar 1998 antwortete, daß der Betroffene sich einer bewaffneten Gruppe angeschlossen hätte und von der Gendarmerie gesucht würde.

 

 

Nacera Lazreg, 1961 geboren und Mutter von 6 Kindern, wurde am 5. Dezember 1994 von Polizisten des Kommissariats von Bourouba abgeholt. Sie sagten ihr, die Polizei hätte drei Männer getötet, unter denen sich ihr gesuchter Ehemann Mahfoud Koudri befände; sie sollte ihn identifizieren. Seitdem ist sie « verschwunden ». Später erfuhr die Familie von Zeugen, daß sie grausam gefoltert wurde, unter anderem vom Kommissar Ould Ammi (der später von einem seiner Folteropfer getötet wurde). Sie wurde dreißig Tage lang gefoltert und schließlich hingerichtet. Ihre Leiche warf man auf die Mülldeponie von Oued-Smar, wo sie zusammen mit anderen Leichen gefunden wurde. Sie wurde zur Leichenhalle von Bologhine gebracht und schließlich mit der Bezeichnung « X Algérien » begraben.

 

Jamaleddine Fahassi, geboren am 11. Februar 1954, verheiratet, Vater einer Tochter, Journalist beim französischsprachigen Radio « Alger chaîne III », wurde von Polizisten in Zivil mit drei Autos ohne Kennzeichen entführt. Er war im Juni 1991 festgenommen worden, vor Gericht gestellt und freigesprochen worden, im März 1992 war er erneut inhaftiert und in ein Lager des Südens für 6 Wochen geschickt worden. Er hatte auch für die Parteipresse der FIS geschrieben. Es fehlt jede Spur von ihm.

 

 

Samia Saadedine, geboren am 19. September 1981 ist mit ihrem Verlobten Abdelkader Tikialine, geboren am 12. Juli 1971 am 7. September 1997 um 16 Uhr im Wald Bainem vom militärischen Geheimdienst entführt worden. Ein Anwalt dessen Namen angegeben wird, informierte die Familien, daß die junge Frau sich im Gefängnis El Harrach und der junge Mann in der Kaserne Beni-Messous inhaftiert seien. Sein Auto wurde drei Tage später von der Gendarmerie gefunden.

 

 

Nadhir Guettaf, geboren am 26. Februar 1953, verheiratet, Vater von acht Kindern, Französischlehrer und wohnhaft in Staoueli, wurde im Februar 1998 um 1 Uhr nachts von zu Hause entführt. Kriminalpolizisten klopften an der Tür und stellten sich vor. Sie nahmen drei andere Personen in der Gegend fest, die nach 4 Tagen freigelassen wurden, aber nicht wußten, wo sie waren, da sie mit verbundenen Augen abtransportiert wurden.

 

 

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