Bericht eines abgeschobenen Flüchtlings

Bericht eines abgeschobenen Flüchtlings

Wir waren sieben Abschiebehäftlinge in der Maschine. Am Flughafen Boumediène wurden wir ausgesondert, in ein Nebengebäude gebracht und gefesselt. Nachdem man angefangen hatte, uns zu verhören, wurden wir « einzeln behandelt », nicht mehr zusammen. Wir blieben zwei Tage dort ohne Essen und Trinken. Die Verhörmethoden waren schlimm: Sie fragten, warum ich Asyl beantragt habe. Ich mußte meine ganzen Asylgründe angeben. Wenn ich zögerte, schlugen sie auf mich ein. Sie wollten immer mehr wissen: Daten, Namen, genaue Aktivitäten, Adressen aus der Zeit meiner Mitgliedschaft im FIS. […] Es wurde immer wieder betont, wie sehr die Algerier, die in Deutschland Asyl beantragt haben, Algerien bloßgestellt und dem Land geschadet haben. Man würde das auf keinen Fall einfach so hinnehmen. Endlose Fragen schlossen sich an über Deutschland. Alles wollten sie wissen: wo man gearbeitet und gelebt hatte, Namen und Adressen aller Algerier, die man gekannt hatte. Immer wieder fragten sie nach Gruppen, nach Mitgliedern des FIS, ob und was sie machen. Ich erwähnte meine Mitgliedschaft im Verband algerischer Flüchtlinge im Exil nicht. […] Nach zwei Tagen wurde ich in das Polizeizentrum Bab Zouar gebracht. Dort fing man wieder von vorne an mit den Verhören. Sie zitierten meine Antworten und bohrten weiter. Schläge, Tritte, Einschüchterungen, endlose Verhöre. Einer schrieb, einer fragte. Mal schlug der, mal trat der. Zwei Wochen blieb ich dort. Ich fragte zwischendurch auch, ob ich Kontakt mit meiner Familie haben könnte. Keine Chance. Sie hätten mich töten können, und keiner hätte etwas davon mitbekommen. Das ist das schlimmste, wenn man ihnen voll und ganz ausgeliefert ist. Sie sind ganz versessen auf Informationen aus Deutschland, und wenn man ihnen nichts sagen kann, sind sie um so wütender, und man bekommt ihre Wut zu spüren.

Ich wurde noch mal verlegt, und zwar in die Hauptzentrale der Polizei in Algier. Dort blieb ich eine Nacht, in der sie mich erneut mit ihrer Unterdrückung quälten. […] Dann entließen sie mich nach Hause. Ich bekam Order, mich sofort bei der Polizei meines Ortes zu melden. Die wüßten schon Bescheid. Man gab mir ein Begleitschreiben mit. […] Bei der Polizeidienststelle teilten sie mir mit, daß ich das Stadtviertel nicht verlassen dürfe, und es sei sowieso besser, wenn ich Zuhause bliebe, da sowieso noch was nachkäme, wenn sie die Unterlagen alle bearbeitet hätten. Die Zeit bei meiner Familie war sehr belastet dadurch. Alle reagierten gereizt. Oft war Thema: was ist wenn? Wenn mich Freunde einladen wollten, vermutete ich immer, daß sie von der Polizei Order erhalten hätten, daß ich meine Auflage verletze und somit erneut Haftgründe liefern würde.

Als ich wieder eine Vorladung vor Gericht erhielt, habe ich mich in der gleichen Nacht abgesetzt. […] (Bericht eines Flüchtlings, der ein zweites Mal nach Deutschland floh, Migration, März 1995).

 

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