Unwetter verwüsten Algerien
Heftigste Stürme seit Jahrzehnten fordern mehrere hundert Opfer / Vietnam bedroht
Frankfurter Rundschau, 12. November 2001
Mehr als 300 Menschen sind durch die schwersten Unwetter in Algerien seit Jahrzehnten umgekommen. Die meisten Opfer starben in der Hauptstadt Algier. Auf den Balearen brach der Schiffsverkehr wegen heftiger Orkane zusammen. Der Tropensturm, der die Philippinen verwüstet hatte, bedroht nun Vietnam.
ALGIER, 11. November (dpa/ap/epd). Nach zweitägigen sintflutartigen Regenfällen sprach das algerische Innenministerium am Wochenende von einer nationalen Katastrophe und rief zu internationaler Hilfe auf. Das Auswärtige Amt in Berlin stellte 200 000 Mark Soforthilfe bereit. 300 Menschen sind durch die Unwetter verletzt worden. Ein Verkehrschaos und Stromausfälle in Algier behinderten die Rettungsarbeiten in den Vierteln am Rande der Stadt. Die Zahl der Opfer dürfte sich noch weiter erhöhen. Viele Menschen sind von den gewaltigen Schlammmassen weggerissen worden und wurden am Sonntag noch vermisst.
Vor den schweren Regenfällen hatte extrem lange Trockenheit geherrscht. Dadurch kam es in den an Hängen liegenden Vorstädten Algiers zu schweren Erdrutschen, die katastrophale Schäden anrichteten. Besonders hart betroffen war das westlich von Algier gelegene Arbeiterviertel Babel-Oued, wo ein größeres Wohnhaus einstürzte. Am Sonntag waren noch etwa 3000 Menschen obdachlos, die Hälfte von ihnen in Algier selbst. Die Presse machte eine verfehlte Städtebaupolitik und auch unzureichende Warnungen vor dem anrückenden Unwetter für das Ausmaß der Katastrophe verantwortlich.
Augenzeugen in Algier berichteten, das öffentliche Leben in der Hauptstadt sei praktisch zum Erliegen gekommen. Wichtige Straßen mussten gesperrt werden, die Telefonverbindungen fielen aus. Züge blieben in den Bahnhöfen. Durch die Wassermassen und Schlamm wurden Autos übereinander gestapelt.
Auch in Tipasa und Oran starben Menschen durch die schweren Unwetter.
Nach dem Verwüstungszug des Tropensturms « Lingling » auf den Philippinen mit hunderten Toten hat sich Vietnam am Sonntag für die Ankunft des verheerenden Taifuns gerüstet. Der Sturm wird nach Einschätzung von Meteorologen voraussichtlich am heutigen Montag mit heftigem Regen und zerstörerischen Winden von bis zu 250 Kilometern pro Stunde auf die Küste in Zentral-Vietnam treffen. Auf den Philippinen wurden bis zum Sonntag 171 Leichen geborgen, während es für die 104 noch vermissten Menschen den Rettungskräften zufolge so gut wie keine Hoffnung mehr gab.
In Vietnam versetzte das zentrale Flut- und Sturmkomitee zwölf Provinzen des Landes in erhöhte Alarmbereitschaft. Schiffen und Fischerbooten wurde untersagt, die Häfen zu verlassen. Das Sturmsystem bewege sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Küste zu. « Es kann schwächer werden, aber auch stärker. Das kann man nie wissen », sagte ein Sprecher.
Orkanartige Stürme haben am Wochenende auf der spanischen Ferieninsel Mallorca Bäume entwurzelt und die Dächer zahlreicher Häuser abgedeckt. Es gab mindestens zwei Todesopfer. Der Schiffsverkehr auf der gesamten Inselgruppe der Balearen wurde unterbrochen. Im Hafen von Palma de Mallorca durften nur noch ankommende Schiffe einlaufen.
Auf dem spanischen Festland kamen drei Menschen im Sturm ums Leben.
Die kommunistische Regierung Kubas ist zum ersten Mal bereit, in den USA Lebensmittel und Medikamente gegen Devisen einzukaufen. In einer von der Interessenvertretung der USA in Havanna am Wochenende veröffentlichten Note lehnt Kuba zugleich das Angebot humanitärer Hilfe ab, das die Regierung in Washington nach den Zerstörungen des Wirbelsturms « Michelle » gemacht hatte.
Die USA hatten Kuba Mitte der Woche Lebensmittel, Medikamente und die Entsendung von Spezialisten angeboten. Sie stellten jedoch die Bedingung, dass die Hilfe nicht über staatliche Organisationen abgewickelt werden dürfe.
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Dokument erstellt am 11.11.2001 um 21:59:09 Uhr
Erscheinungsdatum 12.11.2001