Louisa Hanoune: »Militär kann Konflikt nicht lösen »
Reiner Wandler, Stuttgarter Zeitung, 18. Oktober 2001
Die Vorsitzende der Arbeiterpartei Algeriens (PTA) lehnt die amerikanischen Luftangriffe auf Afghanistan ab, da sie die Gefahr einer weltweiten Eskalation heraufbeschwörten.
Frau Hanoune, nach dem 11. September haben Sie gesagt, dass Algerien nicht mit den Wölfen heulen darf. Fühlen Sie sich nicht als Bestandteil der Anti-Terror-Allianz?
Ich bin nicht damit einverstanden, dass unser Land in diesem Bündnis mitmacht. Die Allianz ist nichts anderes als eine Art Weltregierung, die Staaten und Institutionen entmündigt. Dieser Kampf gegen den Terrorismus schafft einen idealen Feind für die USA. Er erlaubt es den USA, überall und jederzeit einzigreifen.
Eigentlich sollte man doch davon ausgehen, dass der Kampf gegen den Terrorismus gerade für Länder wie Algerien von Nutzen ist.
Wir haben wirklich am eigenen Leib verspürt, was die Behandlung eines solchen Konfliktes unter rein militärischen und sicherheitstechnischen Aspekten bedeutet. Das führt zu allem, bloß nicht zum Frieden. Wir hatten in den letzten zehn Jahren mehr als 200000 Tote. Die demokratischen Freiheiten wurden eingeschränkt. Wir leben in einer sozialen Krise. Wie sollen wir da dafür sein, dass eine solche Politik weltweit ausgedehnt wird?
Was wäre die Alternative?
Wir müssen den Problemen auf den Grund gehen. Die Wurzeln des Bösen können besiegt werden, wenn demokratische und soziale Rechte sowie die Rechte der Völker in Palästina, im Irak und überall auf der Welt respektiert werden.
Was heißt das für die ganz konkrete Situation nach den Anschlägen vom 11. September?
Auch wir betrauern den Tod tausender Amerikaner. Wir können dennoch nicht akzeptieren, dass Afghanistan bombadiert wird. Denn die Konsequenzen sind nicht absehbar. Pakistan droht zu explodieren. In Palästina und in anderen Ländern hat es Tote gegeben. Alle Länder leben unter einer ganz neuen Bedrohung. Wir sind dagegen, dass der Krieg über die ganze Welt verbreitet wird, unter welchem Vorwand auch immer. Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass Osama bin Laden und die Taliban Geschöpfe der USA sind. Alleine im letzten Jahr flossen 124 Millionen Dollar an die Taliban. Man kann nicht vom Volk verlangen, einen solchen Krieg zu akzeptieren, denn es ist die US-Regierung, die für die Lage verantwortlich ist.