« Terrorismus vom Staat organisiert »
Zeugenaussagen vor britischer Parlamentskommission
« Terrorismus vom Staat organisiert »
John Morrison, London, Reuters, 22. Januar 1998,
Algerier im Exil, unter ihnen ein ehemaliger Premierminister und ein Überläufer der Sicherheitskräfte, bestätigten am Donnerstag vor britischen Parlamentariern, daß die algerische Regierung für Massaker, die bewaffneten Islamisten angelastet werden, verantwortlich ist.
Bei einer Anhörung vor der parlamentarischen Menschenrechtskommission beschuldigten sie die algerische Regierung des systematischen Einsatzes der Folter und Frankreich der Blockade jeder Initiative zu einem Verständnis dessen, was wirklich geschieht an dieser – wie sich einer von ihnen ausdrückte – « blutbesudelten Türschwelle Europas ».
Für Dr. Abdelhamid Brahimi, Premierminister von 1984 bis 1988, « ist der Terrorismus vom Staat organisiert ».
« Die GIA ist der Regierung zuzurechnen, sie ist eine Schöpfung der Regierung », erläuterte er in bezug auf die Bewaffneten Islamischen Gruppen, denen von der Obrigkeit vorgeworfen wird, die Massaker begangen zu haben, die seit 1992 Zehntausende von Menschenleben forderten.
Ein weiterer Zeuge, der sich das Pseudonym « Hauptmann Haroun » gibt und als ehemaligen algerischen Polizisten vorstellt, brachte seine Beschämung angesichts der Praktiken der Sicherheitskräfte zum Ausdruck. « Wenn auch für den Westen (der irakische Präsident) Saddam Hussein den Teufel darstellt, so ist er doch im Vergleich zu den algerischen Generälen ein Engel ».
Er hat seinerseits die Anschuldigungen Brahimis bestätigt, indem er behauptete, daß die GIA von der Regierung infiltriert worden sind und alle westlichen Geheimdienste davon Kenntnis besitzen.
Ein dritter Mann namens Mohammed Larbi Zitout, ein ehemaliger Diplomat in Libyen, der sein Land 1995 verlassen hat, beschuldigte die algerische Regierung, mehr als 30 000 politische Gefangene in Haft zu halten, die Folter systematisch einzusetzen und ihre Gegner zu ermorden.
Die Massaker werden nicht « zufällig » begangen, sagte er und fügte hinzu, daß auch Frankreich für die Lage verantwortlich sei, da es die extremistischen Fraktionen in Algerien unterstütze.
« In Algerien hat Frankreich eine lange Tradition der Blindheit, aber wir hoffen, daß England unsere Stimmen vernehmen wird. »
Der algerische Journalist Rashid Messaoudi bezog sich auch auf die « französische Kultur der Unterdrückung » und die französischen Medien, die seiner Meinung nach die Verstrickung der Regierung in die Massaker geflissentlich ignorieren.
Mohammed Sekkoun, Sprecher eines Komitees algerischer Flüchtlinge in England, hat seinerseits erklärt, daß London noch immer Asylsuchende in Haft halte und nach Algerien abschiebe.
Dr. Michael Peel, von der Medical Foundation for the Victims of Torture, hat seinerseits erklärt, daß die britischen Ärzte eindeutige Spuren von Folter und sexueller Gewaltanwendung, einschließlich Vergewaltigung und Sodomie, bei den Asylsuchenden, die sie untersucht haben, feststellten.
« Die Medical Foundation verfügt über stichhaltige Beweise für die Behauptung, daß entfernte Sympathisanten der FIS (die verbotene Islamische Heilsfront), die nicht aktiv sind, von den Sicherheitskräften aufs Korn genommen und gefoltert werden und daß die Familienangehörigen von Sympathisanten der FIS entführt, ermordet und verschwinden gelassen werden », sagte er.
Dr. Peel sagte, daß die Weisungen des Hochkommissariats für Flüchtlinge bezüglich der Anerkennung von Asylsuchenden inadäquat sind.
Ein Vertreter der algerischen Botschaft in London befand sich unter den Zuhörern, da der Botschafter die Einladung abgelehnt hatte.
Übersetzung: algeria-watch