Alibi-Frauen

Alibi-Frauen

Monique Gadant, Femmes Alibi, Les Temps Modernes, Jan. ‘95, 221-29.

Ich habe den Brief, datiert vom 3. April 1994, geschrieben als Reaktion auf die Bitte einer im April-Mai 1994 gegründeten Assoziation, einen Aufruf zur Solidarität mit „den algerischen Frauen“ zu unterzeichnen. Dieser Appell war schon unterschrieben worden von einigen französischen Assoziationen, feministischen und zur Verteidigung der Menschenrechte.1

Für mich persönlich war der Inhalt des Appels problematisch. Ich dachte damals und ich denke immer noch, daß die unterzeichnenden Assoziationen ihm nicht die notwendige Aufmerksamkeit beigemessen haben. Oder sie haben darin, ohne sich allzusehr am Inhalt festzuhalten, nur einen Appel an die Solidarität sehen wollen, auf den die Antwort sich von selbst ergab: sie mußte positiv ausfallen, ohne die Anstrengung einer Analyse, die sich allerdings aufdrängte angesichts der Komplexität, die die algerische Situation charakterisiert. Anfang dieses Jahres antwortete mir jemand, dem ich mein Zögern mitteilte, bezüglich einer anderen Solidaritätsassoziation, deren Ziele undeutlich sind: „Was willst du, die algerische Politik ist ein Beruf!“ Zugegeben. Aber sie ist ein Beruf, in dem gefoltert wird, in dem Menschen von allen Seiten sterben und dessen Einsätze groß sind. In dieser Schlacht ist der Appell an die Solidarität der französischen Linken, ja sogar an die französische Regierung, in den meisten Fällen ein Appell zur Entscheidung für ein Lager gegen das andere, ohne Zögerlichkeiten und Gemütsanwandlungen. Der Schriftsteller Rachid Boudjedra, dessen Vorzug der Mangel an Feinfühligkeit und die eifrige Handhabe von Beleidigungen und Diffamationen ist, hat seit zwei Jahren unablässig, all diejenigen verunglimpft, die nicht den guten Einfall hatten, dieselbe politische Wahl zu treffen wie er. Zunächst hat er sich an den algerischen Intellektuellen versucht, heute bezeichnet er die französischen Intellektuellen, die angesichts des staatlichen Terrors eine gewisse Zögerlichkeit haben könnten, als „Faschingshuren“ (L’Humanité dimanche, 27.10.94). Heute, da in dem komplizenhaften Schweigen – wenn nicht sogar beifälligen derjenigen, die sich als Verteidiger der algerischen „Demokraten“-Éradicateurs (Ausmerzer) offenbaren – Frankreich nicht nur Hubschrauber, sondern auch hochentwickelte Kampfwaffen an die algerische Regierung verkauft, ist es mehr denn je notwendig und dringend, sich über das, was man „unsere Solidarität“ nennt, Fragen zu stellen. Es ist umso dringlicher, da wir angesichts dieses „seltsamen“ oder „schmutzigen“ Krieges, der nicht als solcher bezeichnet wird, erschreckt erleben, wie die algerischen „Demokraten“ die Politik des Innenministers Pasqua bedingungslos unterstützen. Das sind allerdings dieselben, die sich in den siebziger Jahren ständig auf den Anti-Imperialismus bezogen. In Frankreich scheinen diese Informationen weder Sorge noch Entrüstung auszulösen.

In der Tat stützen sich die Stellungnahmen zugunsten dieser Strömung der Éradicateurs eher auf Leidenschaft als auf Wissen: alles, was von dieser Strömung ausgeht, wird in Frankreich verbreitet und aufgebläht. Ihre politschen Positionen werden akzeptiert, wie Gewißheiten. Alles, was nicht von ihr kommt, wird verschwiegen, obwohl die Räsonanz, die sie hier erhält, in keinem Vergleich steht zu der, die sie real in Algerien hat. Das Aushängeschild „Demokraten“ wird nicht in Frage gestellt. Die Tatsache, daß Leute, die für sich die Demokratie in Anspruch nehmen, auf die härteste Fraktion der Armee sich stützen und hoffen, in ihr einen neuen Atatürk zu finden, der auf autoritäre Weise ihre Sicht der „Modernität“ aufzwingt, scheint kein Problem darzustellen. Man sperrt uns in eine manichäische Alternative ein: die nicht für die Politik der Éradicateurs stimmen, sind für die Morde der GIA.2

Und dennoch, wie kann man übersehen, wenn man sich über Algerien auf dem laufenden hält, daß die soziale Furcht 1990-1991 einen Diskurs über Modernität, Demokratie und Emanzipation, Trennung zwischen dem Politischen und dem Religiösen und Zurückdrängen der Religion in die Privatsphäre hervorgebracht und radikalisiert hat, und zwar nicht als „Gesellschaftsprojekt“, sondern als Reaktion gegen die FIS, die zunächst leichtfertig als „Partei der Armen“ bezeichnet wurde. Die Demokratie, die Frauen (neues soziales Subjekt, das man zu kontrollieren hofft, aber zugleich Symbol der Zugehörigkeit zur Modernität) werden als Zeichen der Differenz beansprucht, für sich gegen den anderen; aber diese Themen haben nicht mehr als der Islam zu einer glaubwürdigen Ausarbeitung geführt, die die Zustimmung hervorrufen kann. Daher der beharrliche Rückgriff auf die Gewalt der Militärs, die Erinnerung an die „Pflicht der Gewalt“ (Rachid Boudjedra, s.o.) und die radikale Verleugnung der Menschenrechte.

Mir schien im März 1994 beim Lesen des Textes des Kollektivs Pluri-Elles, daß man nicht nur eine menschliche Solidarität von mir verlangte, sondern auch eine politische Solidarität. Ich habe dann das Bedürfnis gehabt, meine Ablehnung zu erklären.

Man muß an die Situation im Frühjahr 1994 erinnern. Man hoffte in Algerien, daß der Monat Ramadan eine Art Waffenstillstand Gottes sein würde. Nichts dergleichen. Die Morde vermehrten sich. Um nur von bekannten Persönlichkeiten zu sprechen, der Direkor der Kunstschule in Algier, Ahmed Asselah wurde am 3. März 1994 mit seinem Sohn innerhalb der Schule ermordet; der Dramaturg Abdelkader Alloula wurde in Oran ermordet. Sein Begräbnis am 16. März war für den Regierungschef Redha Malek eine Gelegenheit zur öffentlichen Bekundung seiner politischen Wahl, denn er bekräftigte: „Die Angst muß das Lager wechseln!“ Diese Worte legten die Meinungsunterschiede an den Tag, die bis dahin innerhalb der algerischen politisch-militärischen Herrschaft mehr oder weniger verborgen geblieben waren. In der Tat stehen sich in Algerien seit zwei Jahren zwei Optionen gegenüber: einerseits diejenige, die die Éradication der Islamisten durch die Repression preist, und andererseits diejenige der Befürworter des Dialogs, die eine politische Lösung anstreben. Wie wird dieser Dialog organisiert werden? Mit welchen Parteien? Diese Fragen können nur Antworten finden, wenn die Strategien der einen und der anderen untersucht werden. Ich werde sie hier nicht vornehmen.

Die Befürworter der Éradication verschweigen oder minimisieren die schweren Verstöße gegen die Menschenrechte, entweder indem sie offen das Prinzip „der Zweck heiligt die Mittel“ vertreten, oder indem sie akzeptieren, daß unvermeidbare „Überschreitungen“ geschehen. Man kann die Meinung vertreten, daß solche Positionen eine schreckliche Wette auf die Zukunft sind, man kann denken, der Friedhofsfrieden ist ein furchtbarer Friede und daß die Suche nach einer politischen Lösung angegangen werden muß.

Darüber hinaus fand im März eine Art Rückzug der Sicherheitskräfte statt, der den islamistischen Gruppen das Terrain überließ, insbesondere in der Region von Blida, wo Todesdrohungen gegen Frauen, die keinen Hidjab tragen, ausgehängt wurden.

Diese Morde jedenfalls bestärkten die These der Éradication und man sah im Laufe des Monats März, wie ein politisches Gefüge Gestalt annahm, das – so scheint mir – darauf ausgerichtet war, einen Clan der Armee gegen einen anderen zu unterstützen und auf jeden Dialogversuch zu verzichten zugunsten der repressiven Lösung.

Vor der Demonstration „der Frauen“, wie man sagt, am 22. März 1994 hat man zuerst in der algerischen Presse angekündigt, daß in Algier ein Gedenkmarsch für die Demonstration gegen den Terrorismus vom 22. März 1993 stattfinden würde, an dem die Frauenorganisation RAFD (Rassemblement algérien des femmes démocrates), sowie die RCD und Ettahadi (ehemals PAGS, kommunistisch) teilnehmen würden.3

Viele Kritiken waren geäußert worden hinsichtlich dieser vorherigen Demonstration von 1993, der alle organisatorischen Möglichkeiten seitens des Regimes gewährt wurden. Politische Manipulation von oben? Ein Clan, der die Masse einsetzt, gegen den anderen? Ich erinnere mich, im April 1993 in Algier mit Mahfoud Boucebci darüber diskutiert zu haben: er verwarf diese Kritiken und sagte mir: „Wenn das Haus brennt, ist derjenige verrückt, der den Anspruchsvollen spielt!“ Dies war jedenfalls die letzte große und friedliche Massendemonstration. Angesichts der Zuspitzung der Lage sich für einen Gedenkmarsch am 22. März 1994 zu entscheiden, in einem Kontext äußerster Spannung, – bedeutet dies nicht eine Art Kraftprobe mit dem Ziel, die Politik der Éradication aufzuzwingen?

Wenige Tage später wird eine „Frauen“-Demonstration angekündigt, d.h. initiiert allein von Frauenorganisationen wie die RAFD und anderen, die diesbezüglich (untereinander und mit der RCD und Ettahadi) die gleichen politischen Positionen vertreten, Diese ließen über die Presse wissen, daß die Parolen ausschließlich von ihnen bestimmt und auferlegt werden würden. Die Frauenorganisationen, die mit diesen Parolen nicht einverstanden waren, nahmen daran nicht teil.

Gleichzeitig nimmt die Presse, die diese Strömungen wiederspiegelt, eine auffallend lobende Haltung gegenüber den Frauen ein. „Frauen, wir lieben euch!“ titelt eine Tageszeitung. Während die Frauenassoziationen vorher nie das Problem der Doppelbelastung und der Aufteilung der Hausarbeit angeführt haben, eine Frage, die von der ehemaligen PAGS (jetzt Ettahadi)4 zensiert wurde, sieht man jetzt, seit Anfang dieses Monats, Tageszeitungen die avantgardistische feministische Arbeit machen.

Der Arbeitstag ist für sie (d.h. die Frauen in Führungspositionen) doppelt. Eine verantwortliche Position innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens befreit sie keineswegs von der Hausarbeit, der Kindererziehung und so vielen Verpflichtungen. Der Ehemann, der Vater und der Bruder rühren meistens nicht den kleinen Finger, um den Handschlag zu machen, der das Leben eines Wesens, von dem angenommen wird, es sei da ‘pour le meilleur et pour le pire’ erleichtern würde. (El Watan, 9.3.94)

Die Assoziationen, die sich am 22. März versammeln, hatten schon am 8. März eine kleine Demonstration im Zentrum Algiers organisiert, während der sie gerufen hatten: „Zaroual ne baisse pas ton saroual!“ (Zaroual, laß nicht deine Hosen runter!). Man wird ihre Opposition zum Dialog verstanden haben.

Zwischen dem 18.-19. und dem 30. März wird der Ton zunehmend schärfer. In der Tat titelt am 18.-19. El Watan den Leitartikel: „Die Einheit der Armee in Gefahr“…

Die fundamentale Frage ist zu wissen, ob die Armee eine Vorgehensweise unterstützen wird, die Algerien in wenigen Monaten verschwinden lassen wird.

Damit ist der Dialog gemeint, den Präsident Zeroual als „ohne Ausschluß“ angekündigt hat. Angesichts der Lage für die Presse, die sich an eine strenge Zensur halten muß, ist es nicht möglich, daß eine solche Einschätzung über interne Konfrontationen im Generalstab veröffentlicht wird, ohne daß sie mit Machenschaften und Druck eines Clans gegen einen anderen verbunden ist und ein Kräfteverhältnis wiederspiegelt, in dem grünes Licht für die Publizierung erteilt wurde. Zwei Tage später gibt der Generalstab ein Kommunique heraus, das jegliche Spaltung bestreitet.

Man muß wissen, daß die Strömung der Éradicateurs General Zeroual unterstützt hat, als dieser Minister der Armeen war. Als dieser die Staatspräsidentschaft übernimmt (am 8.4.1994), die Situation politisch angeht und von der Notwendigkeit des Dialogs zur Überwindung der Krise spricht, kommt es bei jener Strömung zum öffentlichen Protest. Die Mobilisierung von März richtet sich gegen ihn. Das Erscheinen dieses Leitartikels von El Watan, der das Schreckensbild einer Spaltung der Armee heraufbeschwört, spiegelt also in besorgniserregender Weise die Spannungen an der Spitze wider. Gerüchte über einen möglichen militärischen Staatsstreich verbreiten sich.

A. Benhamouda, Generalsekretär der UGTA (Gewerkschaft), gibt El Watan (20.4.94) ein sehr heftiges Interview, in dem er die Drohung, einen Bürgerkrieg auszulösen, kaum verschleiert hat. Er sieht vor, die Arbeiter einschreiten zu lassen. Man spricht immer mehr von der Bewaffnung der Zivilisten. Dieses Gerücht wird bestätigt am 23. März, einen Tag nach der „Frauen“-Demonstration, durch die Erklärung des Innenministers (Einziehung der Reservisten ist vorgesehen, Gesetz zur zivilen Verteidigung, Einbeziehung der Gesellschaft in dem Kampf gegen den Terrorismus). Am 31. März stellt sich S. Sadi (RCD) in einem Interview im Figaro als der Organisator der Résistance vor. Es ist klar, daß es sich um eine bewaffnete Résistance handelt.

Sehr schnell mißbilligt der Generalsekretär von Ettahadi (mit dem RCD verbündet) diese Erklärung, sowie Redha Malek, der darauf hinweist, daß der Staat das Gewaltmonopol behalten muß. Er wird einige Tage später (am 12.4.1994) seiner Funktion als Regierungschef enthoben. Haben diejenigen, die in Privatgesprächen sagten, daß sie den Staat zerschlagen wollten und die Machtübernahme des General Lamari vorsehen würden, der gegen einen Dialog ist und die Gunst der „Demokraten“ genießt, eine Schlacht verloren? Nicht ganz, da der Ausgang dieser Kraftprobe, die die Niederlage von Redha Malek, den Anführer der Éradicateurs, zur Folge hat, eher wie eine Art Flucht nach vorn in die Gewalt zu sein scheint. In der Tat übernimmt die Armee wieder das den bewaffneten Gruppen überlassene Terrain, insbesondere in der Region von Blida. Die Repression ist sehr hart: Allein L’Hebdo Libéré wagt darüber zu schreiben5 und anzukündigen, daß man morgens nach der Ausgangssperre auf den Bürgersteigen von Blida Leichen mit aufgeschlitzten Kehlen findet, die ein Schild um den Hals tragen: „Dies ist das Los derjenigen die den Terrorismus praktizieren oder unterstützen.“ (L’Hebdo-Libéré, Nr. 157, 30. März – 5. April 1994) Nach dieser Zeitung seien desweiteren Panzer nach Khemmis El Khenchna hineingefahren, auf dem Leichen von Terroristen lagen, die dann später der Bevölkerung zur Schau gestellt wurden.

Angesichts dieses Kontextes habe ich mich gefragt, ob die anwesenden Menschen während der Gedenkveranstaltung, die in Paris am Tag nach der Ermordung von Alloula organisiert wurde, wirklich verstanden haben, was sich hier am Pantheon-Platz zugetragen hat: zu einem bestimmten Zeitpunkt haben manche Männer hinter den Vertretern von CISIA und Ariane Mnouchkine, die gerade eine Rede hielt, ein riesiges Transparent entfaltet, auf dem stand: „Organisieren wir die Résistance!“ Ich habe gedacht, daß die Vertreter der RCD keine Zeit verlieren. Aber waren wir wirklich hergekommen, um uns für diese Parole zu verwenden?

Warum also sind Frauen am 22. März 1994 in Algier auf die Straße gegangen? Wenn auch die Parolen von den teilnehmenden Frauenassoziationen vorgeschrieben wurden, sind doch Frauen, die nicht zu den Mitgliedern gehören, individuell zu dieser Demonstration gekommen, auch wenn sie keine anderen Parolen rufen konnten: dies war ausdrücklich von den Organisatorinnen verboten worden, wie das Kommunique bezeugt, das in der Presse erschien. Allein Parolen der Éradicateurs waren zugelassen. Gewiß wollten sie ihren Willen, frei zu leben, dem Terrorismus ein Ende zu setzen, ausrufen. Aber mir schien es damals, und ich glaube es immer noch, daß man sie ausgenutzt hat, als Spielfiguren in einem Spiel, dessen Regeln sie nicht kannten (außer einigen unter ihnen). Ich betone die Tatsache, daß es Frauen und nicht die algerischen Frauen waren, wie es immer gesagt wird. Die algerischen Frauen sind in dieser Zeit genauso geteilt und zerrissen wie die Männer. Nur eine vereinfachende Sicht der Realität kann uns glauben machen, daß alle Frauen hinter den Frauen der Assoziationen stehen, die man uns im Fernsehen zeigt. Man täuscht sich selbst, wenn man nicht sehen will, daß es sehr viele Frauen gibt, die den Hijab tragen, ohne daß sie von jemandem gezwungen werden, und andere, die in islamistischen Parteien aktiv sind, schließlich andere, die den bewaffneten Gruppen angehören. Bevor man sich gegen den Hijab wendet, reduziert auf ein Symbol der Unterdrückung (die Frauen, die ihn tragen, werden im Widerspruch zu dem, was ihre Interessen sein sollten, gesehen, und die Wahrheit über sie wird von anderen verkündet), sollte man sich etwas Zeit nehmen, um über die Motivationen dieser Frauen nachzudenken, die nicht a priori dümmer oder einfältiger sind als andere. Sie existieren, das ist eine Tatsache, selbst wenn sie nicht zu Wort kommen: der politische und mediale Diskurs verleugnet sie. Dies trägt nicht eben zum Verständnis bei.

Die Frauen in Algerien zur Speerspitze zu erheben, dient in jedem Fall dazu, ein Bild von sich selbst zu präsentieren – demokratisch, emanzipatorisch und modern, das den französischen Medien und der französischen Gesellschaft gefällt, und sich einfügt in die Orchestrierung eines einfältigen Ethnozentrismus, in dem das französische Modell als das perfekte Bild des Fortschritts erscheint. Im Gegensatz zum Archaismus und zur Barbarei (die Islamisten) stehen Frankreich und die algerischen Demokraten (Strömung der Éradicateurs).

Dies gesagt, hat meine persönliche Ablehnung eines Text nur wenig Bedeutung. Ich repräsentiere nur mich selbst. Ich habe damals meine Reaktion den unterzeichnenden Assoziationen geschickt: keine hat geantwortet. Ich habe sie natürlich an Pluri-Elles geschickt. Wurden die Texte der Selbstdarstellung der Assoziation später geändert, weil man doch meine Überlegungen berücksichtigt hat? Ich weiß es nicht. Niemand hat mir dazu etwas gesagt, und soweit ich weiß, hat es keine Diskussion ausgelöst. Nichtsdestotrotz denke ich, daß die aufgeworfenen Fragen bezeichnend sind für die Komplexität der Probleme, denen sich die Solidarität stellen muß, und für die sehr große Ambiguität, in der die Assoziationen sich befinden, die diese für sich in Anspruch nehmen.

 


1 Dieser Text, den Monique Gadant am 25. November 1994 geschrieben hat, erklärt, warum sie im April einen Appell der Assoziation Pluri-Elles nicht unterzeichnen wollte. Der Brief vom 3. April 1994 findet sich in Les Temps Modernes von Januar 1995. Wir geben ihn nicht wieder, da der Inhalt sich nicht wesentlich von diesem Text unterscheidet. (Anm.d.Ü)

2 GIA: Groupe Islamique Armé, Bewaffnete Islamische Gruppe. (Anm.d.Ü.)

3 „Das Verschwinden von Alloula, der niederträchtig ermordet wurde, hat wieder als Auslöser gedient, um die Gewissen aufzupeitschen, und es ist erneut die zivile Gesellschaft, die aufgerufen ist, ihre Verantwortungen zu übernehmen angesichts des Ausbleibens konkreter Aktionen seitens der öffentlichen Stellen, um den Bürgern wieder das Vertrauen zu geben. Gewiß wird der anti-terroristische Kampf offensichtlich von den Sicherheitskräften unternommen, um zu verhindern, daß Algerien zu einem zweiten Afghanistan wird, aber die republikanischen Patrioten, die nach einem nationalen demokratischen Gesellschaftsentwurf streben, empfinden immer mehr den Druck der faschistischen Kräfte, der sie würgt. Daher ihre zunehmende Sorge und ihre Entschlossenheit sich zu mobilisieren, um denjenigen, die ein totalitäres Regime aufzwingen wollen, die Stirn zu bieten. Was tun? Diesbezüglich scheinen zahlreiche Protestaktionen in Vorbereitung zu sein. Darunter die Annäherung zwischen RCD und Ettahadi, die beschlossen haben sollen, all ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen, um sich demselben Kampf zu widmen.“ (El Watan, 16.3.94)

4 RCD (Rassemblement pour la culture et la démocratie), Vorsitzender ist Said Sadi, Konkurrenzpartei der FFS (Front des Forces Socialistes) von Ait-Ahmed. PAGS (Parti de l’Avant-garde Socialiste) Nachfolgerin seit 1966 von PCA (Parti Communiste Algérien). Siehe M. Gadant, Les communistes algériens et l’émancipation des femmes, in Peuples Méditerranéens, Nr. 48/49, 1989, Sondernummer: Femmes et pouvoir unter der Leitung von M. Gadant.

5 Man darf nicht vergessen, daß die Presse der Zensur unterliegt bezüglich der Verbreitung von Informationen, die den Kampf gegen den Terrorismus betreffen, aber L’Hebdo Libéré scheint ihr wie durch ein Wunder zu entkommen.