VII Der « totale Krieg » und sein Instrumentarium
VII Der « totale Krieg » und sein Instrumentarium
Viele BeobachterInnen der Ereignisse vor und kurz nach dem Abbruch der Wahl erkannten in der Strategie des Regimes die Absicht, die FIS zu radikaleren Positionen zu drängen, um sie besser verfolgen und kriminalisieren zu können. Die Tatsache, daß Abbassi Madani und Ali Benhadj sowie viele der FIS-Politiker während des Mai-Juni-Streiks 1991 inhaftiert wurden, sollte den Strömungen innerhalb der FIS, die einen legalistischen Weg ablehnen, Auftrieb geben. Doch diese Rechnung ging nicht auf, denn selbst nach dem Putsch und der Zerschlagung der Partei-Struktur der FIS, erhoben sich immer noch Stimmen aus der Islamischen Rettungsfront, die sich für eine Rückkehr zum demokratischen Prozeß einsetzten. Das Regime ließ sich aber nicht darauf ein, im Gegenteil, es machte diese Personen mundtot und trieb viele der FIS-Anhänger in den Untergrund und damit in den bewaffneten Kampf. An die 15 000 Anhänger und Aktivisten der FIS wurden in Lager in der Sahara eingepfercht. Diejenigen, die sich noch in Freiheit befanden, wurden verfolgt und hatten nur die Wahl, sich ins Ausland abzusetzen oder sich den schon im Untergrund operierenden Gruppen anzuschließen. Mit der zunehmenden Repression wurden große Teile der Bevölkerung in die Gewaltspirale hineingezogen.
Im Sommer 1992 wurde deutlich, daß die verschiedenen Sicherheitsabteilungen für die vorgesehene Repression nicht ausreichend vorbereitet sind. Weder die Polizei noch die Gendarmerie ist dem erhöhten Druck gewachsen und immer lauter werden die Appelle an die Armee. Der damalige Innenminister Mohammed Hardi kündigt am 3. September die Bildung neuer Spezialeinheiten an, um die « Sicherheitsprobleme » zu bewältigen. Andererseits soll den Mitgliedern bewaffneter Gruppen ein Amnestieangebot gemacht werden, wenn sie mit dem Regime kooperieren. Während des Sommers werden Spezialkräfte gebildet, die Eliteeinheiten der Armee und andere Teile der Sicherheitsdienste koordinieren.
VII-1 Die gesetzliche Grundlage
Schließlich wird am 2. Oktober 1992 der « totale Krieg » ausgerufen und ein Anti-Terrorismus-Gesetz verabschiedet, das eine Anzahl von außergewöhnlichen Anordnungen beinhaltet.1 Jacques Vergès weist darauf hin, daß dieses Sondergesetz eine Kopie der im August 1941 von der Vichy-Regierung erlassenen Dekrete darstellt.2 Der verfassungswidrige Charakter kennzeichnet beide Texte: der rückwirkende Zugriff; Fälle, die dem gewöhnlichen Strafgesetz unterliegen, können dem Sondergesetz unterstellt werden. Dieses Anti-Terrorgesetz3 sieht unter anderem vor:
– die Bildung von drei Sondergerichten in Algier, Constantine und Oran zu Aburteilung von terroristischen und subversiven Handlungen (Art. 11),
– die Erhöhung des Strafmaßes (Todesstrafe statt lebenslänglich, ansonsten Verdoppelung des Strafmaßes, Art.8),
– die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Jugendliche über 16 Jahre (Art. 38),
– die Rückwirkung des Gesetzes. Gemäß Art. 42 können Fälle, in denen bereits vor Verkündung des Gesetzes ermittelt wurde, auf die Sondergerichte übertragen werden.4 Hierin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen den allgemein anerkannten Grundsatz « nulla poene sine lege » (keine Strafe ohne Gesetz) und Art. 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.5
– die Garde à vue (Inkommunikado-Haft) kann über die im Strafverfahrensgesetz vorgesehenen 48 Stunden hinaus auf 12 Tage verlängert werden (Art. 22),
– die an den Sondergerichten tätigen Richter bleiben anonym, die Bekanntgabe ihrer Namen ist strafbar (Art. 17),
– zwar sind die Verhandlungen grundsätzlich öffentlich, gemäß Art. 32 kann das Gericht aber jederzeit den Ausschluß der Öffentlichkeit anordnen,
– die Verteidiger können bei ungebührlichem Verhalten von der Verhandlung ausgeschlossen und bis zu einem Jahr von ihrer Tätigkeit suspendiert werden (Ergänzung des Dekrets 92-03 vom April 1993),
– das Recht auf Berufung ist verwehrt,
– in den zwei Monaten, die der Verkündung des Gesetzes folgen, werden die Strafen für reuemütige und zur Mitarbeit bereite Angeklagte gemildert; die Höhe des Strafmaßes wird im Vergleich zum Strafgesetz verdoppelt.6
Der Erlaß erweitert die Anwendungsmöglichkeiten der Todesstrafe und die Interpretation von ‘terroristischen und subversiven Handlungen’. Eingeschlossen sind dadurch künftig Verstöße, die die Staatssicherheit bedrohen, was auch die Vervielfältigung und Verteilung von ‘subversiver’ Literatur impliziert.7
Sofort nach Verkündung des Gesetzes beginnen die Sondergerichte mit ihrer Tätigkeit:8 Bis November 1994 wurden 1127 Personen, darunter 964 in Abwesenheit von diesen Tribunalen zum Tode verurteilt, darunter eine Frau.9 In 26 Fällen wurde auch die Hinrichtung vollzogen. 6507 erhielten Haftstrafen, darunter auch lebenslängliche Haft. Die beginnende Demokratisierung auch der Justiz wurde mit diesen neuen Gesetzen schwerwiegend beschnitten: die Verteidigungsrechte, die Autonomie der Richter, die Einschränkungen in der Arbeit der Anwälte usw. führen dazu, daß Verteidiger in den Streik treten und immer wieder gegen diese Sondergesetzgebung protestieren. Seit Anfang des Jahres 1995 sind die Sondergerichte abgeschafft und die mit « Terrorismus » verbundenen Fälle werden von gewöhnlichen Gerichten entschieden. Allerdings wurden die wesentlichen Bestimmungen des Anti-Terrorgesetzes in das Strafgesetz und die Stafprozeßordnung integriert und somit verallgemeinert!10
Die gesamte Verwaltungsstruktur der Städte wird ab Ende 1992 erneuert und dem Präfekten unterstellt, der für die Sicherheit zuständig ist. Sehr schnell sind die Spezialeinheiten einsatzbereit und durchkämmen die Stadtviertel. Ihre Zahl wird von der Presse auf 15 000 geschätzt. Zu diesem Zeitpunkt haben sie noch den Befehl, Menschen festzunehmen, später werden sie systematisch die Leute liquidieren. Ende des Jahres 1992 werden die letzten Kommunalverwaltungen der FIS, die ihr nahestehende Gewerkschaft und kulturelle und karitative Assoziationen aufgelöst.11 Diese Maßnahme wird damit gerechtfertigt, daß diese Organisationen für den bewaffneten Gruppen aus der FIS logistischen Rückhalt bieten.
Anfang Dezember 1992 wird schließlich eine Ausgangssperre über sieben Distrikte verhängt: Algier, Blida, Tipaza, Boumerdès, Médéa, Bouira und Ain-Defla. Dies betrifft etwa die Hälfte der algerischen Bevölkerung. Die algerischen Behörden beschließen im Januar 1993 die Freilassung von 6000 Straftätern, um in den Gefängnissen Platz zu schaffen.12 Im Mai 1993 erläßt die Regierung ein Verbot für Angestellte in Staatsbetrieben und Verwaltung, Kleidung zu tragen, « die offensichtlich die Zugehörigkeit zu einer ideologischen, politischen oder religiösen Strömung ausdrückt. »13 Auf der politischen wie praktischen Ebene hat das Regime sich klar für die militärische Option entschieden und alle weiteren vorgeblichen Bemühungen, einen Dialog führen zu wollen, erscheinen vor dem Hintergrund der täglichen Praxis heuchlerisch und dienen nur dem Zweck, die nationale wie auch die internationale Öffentlichen irrezuführen und zu beschwichtigen.
Ob der nationale und internationale Protest die staatlichen Stellen veranlaßte, die Sondergerichte abzuschaffen oder ob sie nicht mehr benötigt werden, weil die Gefangenen entweder liquidiert werden oder ohne Urteil in Gefängnissen verschwinden, ist nicht klar, aber etwa im Februar 1995, wird von amtlicher Seite ihre Auflösung angekündigt.
Ein algerischer Rechtsanwalt […] versucht, mir das alles zu erklären. ‘In den letzten sechs Wochen hat es in Algier keine gerichtlichen Anhörungen gegeben. Es gab keine Prozesse, aber Tausende von Verhaftungen. Die Regierung hat im September 1992 Sondergerichte eingesetzt in Oran, Algier und Constantine. Aber sie arbeiten nicht, weil die Rechtsanwälte nicht mitmachen wollten. Die Regierung schaffte die Sondergerichte in diesem Jahr ab. Das wurde als eine gute, liberale Sache angesehen. Aber es hat keine gerichtlichen Anhörungen gegeben, nur Verhaftungen’. Er erwähnt die Fälle zweier ‘islamistischer’ Physiklehrer aus Blida: Dr. Fouad Bouchlaghem und Dr. Ahmed Boulaaresse. ‘Beide wurden von der algerischen Polizei verhaftet’, sagt der Rechtsanwalt. ‘Der eine hatte einen Doktorgrad der Universität von Toulouse, der andere hatte seine Ausbildung am Massachusetts-Institut für Technik erhalten. Später, nach ihrer Festnahme, sagte die Polizei, beide seien ‘auf der Flucht erschossen worden’. Was sollen wir daraus schließen?’14
Die im Dezember 1992 eingeführte Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr wurde später auf vier Stunden verkürzt (24 Uhr bis 4 Uhr).
Wenn die Ausgangssperre am Anfang für die Bewegungen der schnellen Eingreiftruppen, für die massiven Festnahmen, als bequeme Abschirmung gegen den Blick der Bevölkerung gedient und die Bewegungsfreiheit der bewaffneten Gruppen spürbar gestört hatte, erschien ihre Nützlichkeit immer weniger offensichtlich. In der Tat haben die islamistischen Moudjahidine immer am hellichten Tage zugeschlagen und bewegen sich mit einer relativen Leichtigkeit am Rande der großen Städte, deren ‘populare’ Viertel ihnen als quasi unantastbare Heiligtümer dienen. Die Bevölkerung ihrerseits respektierte de facto die Ausgangssperre schon weit vor der offiziellen Zeit und verkroch sich bei Einbruch der Dunkelheit in ihren Häusern.15
Diese Maßnahme sollte eher eine psychologische Wirkung haben, vor allem gegenüber dem Ausland, als daß sie Ergebnis einer besseren Kontrolle der Lage ist. Die Anschläge und Morde gehen unvermindert weiter und der Ramadan 1996 war mal wieder besonders blutig.
VII-2 Sondereinheiten, Bürgerwehren, Milizen…
Seit zu einem bestimmten Zeitpunkt von anti-terroristischen Milizen die Rede war (man erinnert sich an die OSRA und die OJAL), kursierten hartnäckige Gerüchte über die Konfusion, die der Terrorismus ermöglicht. Diese beiden Kürzel sind schnell von der Bildfläche verschwunden und man hat begonnen von Wachsamkeitskomitees oder Bürgermilizen zu sprechen.16
Im Herbst 1992 wird unter der Leitung von Generalstabschef General Lamari eine Sondereinheit aus Kräften der Armee, Polizei und Gendarmerie zur « Terrorismus »-Bekämpfung ausgebildet. Wie hoch die Zahl der Ninjas ist, weiß niemand so recht, doch sollen sie über Hubschrauber und Panzer verfügen und werden ihrer Methoden wegen sehr gefürchtet. Einige sind desertiert und bestätigen die Aussagen der Opfer ihrer Operationen. Sie berichten von extralegalen Hinrichtungen, der blinden Gewalt und den Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung, die zurecht oder unrecht der Sympathie oder einfach der Gleichgültigkeit gegenüber den ‘Bärtigen’ verdächtigt wird. Sie erzählen von dem täglichen Horror und seiner höllischen Logik. Ermordungen von Polizisten durch falsche Fundamentalisten, Kämpfe zwischen den Geheimdiensten, Manipulationen.17
Eine enge Zusammenarbeit besteht mit der Armee. Diese ist 140 000 Mann stark und verfügt über schweres Material aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie hat im letzten Jahr ihre Kapazitäten der Anti-Guerilla-Ausrüstung aufgestockt durch den Kauf von Schutzbekleidung, Abhörausrüstung, Nachtsichtgeräten, mindestens 9 Helikoptern vom Typ Eichhörnchen, aus der französisch-deutschen Eurokopterproduktion und 700 Panzerfahrzeugen vom Typ Skorpion, die in britischer Lizenz von einem türkischen Hersteller gebaut wurden.18 Es wird sogar berichtet, daß Frankreich 79 510 Kg Trietalonamine an Algerien verkauft habe, die für die Herstellung von Senfgas gebraucht werden können.19 Die Informationen mehren sich über Militäroperationen, bei denen Wälder abgebrannt werden (ein Drittel der Wälder soll abgebrannt worden sein). An die 300 Moscheen sind vom Militär zerstört worden, ganze Dörfer sollen dem Erdboden gleichgemacht worden sein.20
‘Sie gehen so in den Dörfern vor’, sagt ein Islamist: ‘Hubschrauber der Armee haben ein Dorf angegriffen, von dem man annahm, es sei islamistisch; es heißt Belhacene und liegt in der Wilaya (Provinz) Relizane. Über 200 Menschen wurden getötet, Frauen, Kinder unter ihnen. Sie radierten das Dorf aus.’21
Von Napalm-Einsätzen der Armee sprach der FFS-Vorsitzender Ait-Ahmed schon 1993. Rabah Kebir, der Auslandsprecher der FIS, sagte im November 1993, daß zwei Monate zuvor Flugzeuge der algerischen Armee Napalm in Jijel und Tizi-Ouzou eingesetzt hätten.22
Nicht nur die Einberufung von Reservisten,23 die den Soldaten beistehen sollen, hat begonnen, sondern die Regierung läßt seit Anfang 1995 « Kommunalgarden » und « Selbstverteidigungskomitees » zusammenstellen, die zur neuen « Sicherheitskonzeption » gehören. Erstere sind offiziell anerkannt und sollen etwa vierzig- bis fünfzigtausend Mann stark werden (im September 1995 waren es 20 000). Sie unterliegen dem Befehl der Bürgermeister und erhalten eine zweimonatige Ausbildung in der Gendarmerie. Sie tragen Uniformen und nehmen an den Durchkämmungsoperationen der Armee teil. Sie sind dementsprechend auch bewaffnet, während die Selbstverteidigungskomitees nur ganz einfache Gewehre haben, nicht ausgebildet sind und ihre Dörfer « schützen » sollen. Scheinbar werden sie aber nach und nach in das Sicherheitssystem integriert.24
Manchen Quellen zufolge sollen mehrere Orte von nicht identifizierbaren Gruppen absichtlich angegriffen worden sein, um die Bildung dieser Dorf-« Milizen » zu beschleunigen. Schließlich sollen Einheiten existieren, die aus Zivilpersonen bestehen und mit individuellen Kriegswaffen gut ausgebildet in einer perfekten Anonymität agieren und allein den militärischen Verantwortlichen der Regionen, in denen sie operieren, Rechenschaft leisten brauchen. Ohne besondere Kennzeichen sollen sie sehr mobil sein und den Sicherheitskräften besondere Hilfe leisten. Sie sollen vor allem für die ‘schmutzige Arbeit’ zuständig sein, in die sich die Armee nicht öffentlich einmischen will.25
Die Gefahr, die die Rekrutierung von Milizionären birgt, ist offensichtlich: es gibt keine Kontrolle über ihre Aktivitäten, sie können die von ihnen zu « Terroristen » deklarierten Personen liquidieren und schüren eine Atmosphäre, in der ein Bürgerkrieg einen guten Nährboden findet. Der Vorsitzende der LADDH sagt zu der Bildung von Milizen, daß « sie einen Verlust der Staatsautorität bedeutet. Wenn sie offiziell dem Wunsch der Landbevölkerung nach Schutz entspricht, wurde sie von der Sécurité Militaire inszeniert, um, wenn schon nicht der Gendarmerie entgegenzutreten, dann zumindest ihre Leistungen zu verringern »26
In den Wäldern um die Schlucht von Lakhdaria, 60 Kilometer von Algier entfernt, veranstalten Bürgermilizen wahre Treibjagden auf Untergrund-Islamisten. Ein alter Widerstandskämpfer aus dem Algerienkrieg führt die Miliz-Jungen an. Sie werden von der staatlichen Erdölgesellschaft unterstützt, die ihre Pipeline in der Gegend schützen will.[…] An die 100 ‘Tangos’ (damit sind die ‘Terroristen’ gemeint) hätten sie in den letzten drei Monaten ‘niedergemacht.’27
amnesty international schreibt in seinen letzten Berichten:
Als Reaktion auf die zahlreichen Übergriffe haben sich algerische Bürger zu sogenannten ‘Selbstverteidigungsgruppen’ zusammengeschlossen, die anfangs im Gebiet der Kabylei, heutzutage aber im ganzen Land agieren, um sich gegen Angriffe militanter islamischer Gruppen zu wehren. Diese Bürgerwehren, die sich hauptsächlich aus ehemaligen Unabhängigkeitskämpfern und Verwandten von Opfern oppositioneller Gruppen zusammensetzen, nehmen in letzter Zeit jedoch in steigendem Maße aktiv an Operationen der Sicherheitskräfte und des Militärs teil und unterstehen keinerlei staatlicher Kontrolle.28
Wie aus diesen Ausführungen deutlich erkennbar wird, sind die Grenzen zwischen den verschiedenen « Abteilungen » des Anti-Terrorismus-Bekämpfungsapparats fließend. Die jüngste Entwicklung, die darin besteht, zivile Personen direkt in den Krieg hineinzuziehen, erhält eine besondere Brisanz durch einen Diskurs, der ethnische Unterschiede pflegt. So wird gerne von den islamistenfeindlichen Berbern gesprochen, die nicht nur die Speerspitze der Demokratiebewegung sein sollen, sondern in der praktischen Verteidigung ihrer Dörfer gelobt und ermutigt werden. Bestehende kulturelle Konflikte werden von manchen Politikern für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert, indem eine Polarisierung der Gesellschaft herbeigeführt wird. Wenn die Forderung nach Bewaffnung bestimmter Gruppen weiterhin vorangetrieben wird, rückt die Gefahr einer explosiven Stimmung immer näher und die verschiedenen Kontrahenten des Konfliktes werden immer weniger identifizierbar sein.
1 ai-info 12/92.
2 Vergès, 27.
3 Décret législatif Nr. 92-03 relatif à la lutte contre la subversion et le terrorisme: Der Tatbestand der « terroristischen und subversiven Handlungen » ist so unbestimmt und vage formuliert, daß etwa auch die friedliche Meinungsäußerung unter das Anti-Terror-Gesetz subsumiert werden kann.
4 Einer der ersten Prozesse (Prozeß des Emir Nouh), der nach dem Anti-Terrorismus-Gesetz stattfand, betraf an die 50 Personen, die am 20. März 1993 für Delikte bestraft wurden, die zwischen 1990 und 1992, also vor Erlaß dieses Gesetzes sich ereignet hatten. Viele Anwälte lehnten die Verteidigung ab, selbst Zwangsverteidiger zogen sich zurück. Die zum Tode Verurteilten wurden im Oktober 1993 hingerichtet. Das Gnadengesuch wurde nicht abgewartet. ai, Bericht 1994.
5 Algerien hat den IPbpR 1989 ratifiziert.
6 Vergès und Comité Algérien des Militants Libres de la Dignité Humaine et des Droits de l’Homme, Livre Blanc sur la répression en Algérie (1991-1994), Band 1, Plan les Ouates, 1995, 12f und amnesty international-Info, 12/92.
7 ai, Algerien, Schluß, 43.
8 ai berichtet von 10 194 Menschen, die zwischen Februar 1993 und Juni 1994 vor diese Sondergerichte gebracht wurden. « Für die Verfahren […] sind systematische Verletzungen der Prozeßvorschriften und eine Mißachtung sowohl des Verteidigungsrechts als auch der internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren charakteristisch. Die Richter haben durchgehend versäumt, bei dem Verdacht auf Folter Ermittlungen anzuordnen, auch wenn Gefangene mit sichtbaren Verletzungen oder Blutergüssen zur Verhandlung gebracht wurden. » ai, Algerien, Schluß, 44. Siehe auch Maître Mechiri, Les cours spéciales terrorisent les droits de la défense, El Haq 1.-7. März 1994, zitiert in Livre Blanc, Supplément, 1996, 43.
9 Schon im Januar 1993 protestierte ai in einer urgent action gegen die Verhängung der Todesurteile für 12 Personen am 14. Januar 1993: « Soweit ai bekannt wurde, wurden die ersten Todesurteile seit 1989 am 11. Januar 1993 vollstreckt. […] Im Laufe des letzten Jahres sind 48 Todesurteile ergangen, so daß inzwischen gegen mehr als 120 Menschen in Algerien die Todesstrafe verhängt worden ist », 27.1.93.
10 Ali Chambati, Une Justice sous pression, Le Monde diplomatique, März 1996.
11 FR, 30. November 1992.
12 SZ, 16. Januar 1993.
13 L’Opinion, Rabat 19. Mai 1993.
14 Robert Fisk, Abgeschlachtet nach dem Aufstand, Rheinischer Merkur, 24. März 1995.
15 Ali Habib, Alger annonce une levée du couvre-feu en raison d’une « amélioration » de la sécurité, Le Monde, 20. Februar 1996.
16 Editorial von La Nation, 21.-27. Februar 1995.
17 Catherine Jentille, Les Ninjas, Le Drame Algérien, 59.
18 Le Monde, 21.-22. Mai 1995.
19 Ait-Embarek, 122. Er bezieht sich dabei auf eine Meldung des Canard Enchainé vom 5. Mai 1995. Er erwähnt seinerseits den Kauf von 60 Helikoptern des Typs Eichhörnchen. Algerische Piloten und Mechaniker erhalten eine Ausbildung in Luc (Var), Le Monde, 14. Dezember 1994.
20 « Augenzeugen berichten, im letzten Monat habe die Armee in der Region Ain Defla, 150 Kilometer südwestlich von Algier, zahlreiche Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht. », Ein Staat wird zur Mördergrube, TAZ, 11. April 1995.
21 Robert Fisk, Abgeschlachtet nach dem Aufstand, Rheinischer Merkur, 24. März 1995.
22 Interview durchgeführt von Jean-Paul Picaper, Le Figaro, November 1993.
23 « Außerdem hat Innenminister Abderrahmane Meziane Cherif im März 1995 angekündigt, weitere 40 000 neue Gemeindepolizisten zu rekrutieren. Im Mai 1995 hat Staatspräsident Liamine Zeroual in diesem Zusammenhang einen zeitlich unbefristeten Einberufungsbefehl für die Reservisten der Jahrgänge 1988-91 unterzeichnet. Die einberufenen Reservisten sollen Ende Mai/Anfang Juni 1995 in ihre Kasernen einrücken. Soweit uns bekannt, scheint es derzeit für Polizei- und Armeeangehörige auch nicht möglich zu sein, ihren Dienst (und ihre Einheit) ‘auf normalem Wege’ zu beenden (kündigen). » ai, 29. Juni 1995.
24 Le Monde Diplomatique, Februar 1996.
25 Le Monde, 28. September 1995.
26 Le Monde, 19. April 1996.
27 Samuel Schirmbeck, Ein Angebot an die ‘verirrten Söhne’, FR, 4. Dezember 1995. Nicht selten sollen ehemalige Straftäter von den Milizen rekrutiert worden sein, die ein Gehalt von 14 000 Dinar bekommen, etwa die Höhe des Einkommens eines jungen Arztes, Livre Blanc, Band 2, 26.
28 ai, Personen- und Berufsgruppen aus der Zivilbevölkerung, die durch Übergriffe und Attentate bewaffneter islamischer Gruppen als gefährdet gelten, Februar 1996.