Algerien gelingt Schlag gegen Islamisten
Algerien gelingt Schlag gegen Islamisten
Armee tötet Anführer der extremistischen Salafistischen Gruppe
von J. Hehn und A.B. Lahouari, Die Welt, 22. Juni 2004
Paris/Algier – In Algerien ist die Zeit der Abrechnung angebrochen. Während der vor zehn Wochen mit der überwältigenden Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen im Amt bestätigte algerische Präsident Abdelasis Bouteflika eines seiner Wahlversprechen einlöst und einen Reinigungsfeldzug gegen die ihm feindlich gesinnte algerische Presse begonnen hat, ist der algerischen Armee bei einer militärischen Großoffensive in der Kabylei offenbar ein entscheidender Schlag gegen die Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) gelungen. Dabei soll deren Anführer Nabil Sahraoui getötet worden sei. Die in der Kabylei und der Südsahara operierenden Salafisten waren zuletzt die aktivste und schlagkräftigste Untergrundbewegung, die für die Errichtung eines streng islamischen Gottesstaates in Algerien kämpft. Wie Sahraouis Vorgänger Hassan Hattab im September letzten Jahres erklärte, arbeitet sie auch mit der internationalen Terrororganisationen Al Qaida von Osama Bin Laden zusammen. Unter anderem wird sie für die Entführung der 32 europäischen Urlauber, unter ihnen 16 Deutsche, im Februar und März letzten Jahres verantwortlich gemacht. Bis auf eine Geisel – eine Augsburgerin, die vor Erschöpfung starb – kamen diese jedoch frei.
Nach einer im algerischen Staatsrundfunk und -fernsehen verlesenen Erklärung der Armee wurden die GSPC-Rebellen in der bewaldeten Bergregion von Akfadou, 120 Kilometer östlich von Algier, eingekreist und « völlig neutralisiert ». Unter den Opfern sollen sich neben Sahraoui drei weitere Führungsmitglieder der Salafisten und « zahlreiche Kriminelle » befinden. Die Armee hatte die « groß angelegte Anti-Terror-Operation » gestartet, nachdem kürzlich bei einem Anschlag der Salafisten zwölf Angehörige der Streitkräfte getötet worden waren. Bei der Aktion in der Kabylei wurden von der Armee auch Waffen und Dokumente sichergestellt.
Die Salafisten-Gruppen hatten sich 1998 von der Bewaffneten Islamischen Gruppe (GIA) abgespalten und mit spektakulären Terrorakten rasch auf sich aufmerksam gemacht. Wie die GIA lehnten auch sie die Politik der nationalen Aussöhnung von Bouteflika und das damit verbundene Angebot einer Amnestie ab. Seit März 2002 wird die GSPC von den USA offiziell als Terrororganisation eingestuft, von der vor allem für die amerikanischen Erdölinteressen in der Südsahara eine ernste Bedrohung ausgehe. Erst kürzlich hatten die Salafisten die in Algerien lebenden nicht-moslemischen Ausländer und Vertreter westlicher Unternehmen zu möglichen Zielen ihrer Terroranschläge erklärt, meldete vor einer Woche der arabische Nachrichtensender Al Dschasira. Damit wollen die Salafisten offenbar die in Saudi-Arabien verfolgte Terrorstrategie auch in Algerien anwenden.
Ebenso große Schlagzeilen wie der erfolgreiche Militärschlag gegen die Salafisten verursacht die Verurteilung des Redaktionsdirektors der algerischen Tageszeitung « Le Matin », Mohammed Benchicou, zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße in Höhe von 230 000 Euro. Dem bekannten Journalisten und scharfen Regimekritiker warf das Gericht vor, gegen die Devisenbestimmungen verstoßen zu haben. Übereinstimmend sind die privaten algerischen Zeitungen davon überzeugt, dass hier ein politischer Prozess geführt wurde, um die kritische Presse mundtot zu machen. Auch die Gewerkschaft der Journalisten, der oberste Ethikrat und die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilten die Entscheidung des Gerichts.
Benchicou hatte während des Präsidentschaftswahlkampfes Bouteflika besonders scharf attackiert, diesem Korruption vorgeworfen und ein Buch mit dem Titel « Bouteflika, eine algerische Hochstapelei » veröffentlicht. Der Präsident kündigte darauf an, dass er nach seiner Wiederwahl dafür sorgen werde, diesen Journalisten, diesen « Söldnern der Feder », die sich nicht viel von Terroristen unterschieden, das Handwerk zu legen. Wie man sieht, ist Bouteflika nicht nur ein wortgewaltiger Politiker. Zumindest in dieser Angelegenheit pflegt er auch sein Wort zu halten.
Weniger Eile scheint der Präsident allerdings damit zu haben, seine anderen Wahlversprechen in die Tat umzusetzen. Er wolle das soziale Elend nachhaltig lindern, versprach er auf seinen Wahlkampfreisen. Seine Regierung werde die Umwandlung zur Marktwirtschaft beschleunigen, zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen und eine Million neuer Wohnungen bauen. Dank seiner sprudelnden Energieressourcen hätte Algerien genügend Geld zur Verfügung. Durch die hohen Erdölpreise sind die Kassen des Staates derzeit mit 42 Milliarden Dollar (fast 34 Milliarden Euro) prall gefüllt.
Doch wie schon in der Vergangenheit profitiert von dieser prall gefüllten algerischen Kasse nur eine kleine Oberschicht. Die große Mehrheit der Arbeitslosen und Armen in Algerien, die von lächerlich geringen Subventionen leben muss, hat davon nichts. Denn ein politisches Programm, das diesen Zustand zu ändern verspräche, ist noch immer nicht in Sicht.