Machtkampf um Algeriens Präsidentschaft?

Machtkampf um Algeriens Präsidentschaft?

Algier. Algeriens Präsident Abd el-Aziz Bouteflika hat am Montag seinen Premierminister Ali Benflis entlassen. Im Hintergrund zeichnet sich ein Machtkampf um die Präsidentschaft des Landes ab.

St. Galler Tagblatt, 10. Mai 2003

Eine schlechte Nachricht kommt selten allein: Zum Geiseldrama in Algerien droht sich nun eine politische Krise zu gesellen – ein Kampf um die Macht. Algeriens Präsident Bouteflika (66) entliess bereits zum fünften Mal in seiner vierjährigen Amtszeit einen Regierungschef. Ali Benflis (58), ein langjähriger politischer Weggefährte Bouteflikas, hat in den vergangenen Monaten keinen Hehl mehr daraus gemacht, dass er im kommenden Jahr selber Präsident werden möchte.

Reformdruck wächst

Die beiden Politiker hätten sich jedoch keinen ungünstigeren Zeitpunkt für ihren Streit aussuchen können. Das undurchsichtige Verhalten des algerischen Regimes im wahrscheinlichen Entführungsfall von 31 europäischen Touristen, darunter vier Schweizer, löste internationale Kritik an Algier aus. Und der innen- wie aussenpolitische Druck auf Algerien, endlich demokratische Reformen in Gang zu setzen, wird zunehmend grösser. Der im Volk unpopuläre Bouteflika, war 1999 vom mächtigen algerischen Militär nach fragwürdigen Wahlen zum Präsidenten gekürt worden. Seine Zeit scheint jedoch nach gescheiterten politischen wie wirtschaftlichen Reformen langsam abzulaufen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die heimlich regierenden Generäle Algeriens Bouteflikas Wunsch auf eine zweite Amtszeit erfüllen werden. Beobachter vermuten jedoch, dass die Armee auch bei der Entlassung von Premier Benflis nachgeholfen hat, der ebenfalls nicht ihr Wunschkandidat ist.

«Ein Mann des Systems»

Zur Lösung dieses Ränkespiels könnte der in aller Eile zum neuen Premierminister ernannte Ahmed Ouyahia (51) den Schlüssel in der Hand halten. Ouyahia war von 1995 bis 1997 schon einmal Regierungschef. «Ein Mann des Systems», heisst es im Volk. «Eine Marionette des Staatssicherheitsdienstes», schreiben algerische Zeitungen. Ouyahias Ernennung zum Regierungschef gilt als Signal, dass die Generäle im kommenden Jahr ihn an die Staatsspitze hieven könnten. In Algerien wird bereits spekuliert, dass manche Generäle versuchen, das undurchsichtige Geiseldrama in der Sahara für ihre Zwecke zu nutzen. Zwar ist nach wie vor nicht geklärt, ob das Verschwinden der Touristen tatsächlich einen politischen Hintergrund hat. Den Generälen diente jedoch angeblicher und tatsächlicher islamistischer Terror in den vergangenen Jahren stets als Rechtfertigung für ihre harte Machtausübung . (ze)