Anwalt: Deutschland wusste von CIA-Transport
N 24, 25. April 2006
Der US-Geheimdienst CIA hat laut einem Anwalt sechs Terrorverdächtige aus Bosnien über Deutschland ins US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba geflogen, obwohl die damalige Bundesregierung rechtzeitig von der Verhaftung der Männer gewusst haben soll.
Die bosnischen Behörden hätten die sechs aus Algerien stammenden Männer im Oktober 2001 festgenommen und auf Druck Washingtons an US-Soldaten der Sfor-Friedenstruppe übergeben, sagte US- Anwalt Stephen Oleksey am Dienstag vor einem Untersuchungsausschuss des Europaparlaments. Nach Angaben der USA sollen sie Anschläge auf die US-amerikanische und die britische Botschaft in Sarajevo sowie auf einen US-Militärstützpunkt in Tuzla geplant haben.
Die bosnischen Behörden hätten die Männer, von denen vier die Staatsbürgerschaft des Landes besitzen, 2002 an die USA ausgeliefert – kurz bevor ein bosnisches Gericht ihre Freilassung aus Mangel an Beweisen angeordnet hätte. Mit einem Flugzeug vom rheinland-pfälzischen US-Stützpunkt Ramstein seien die Gefangenen dann über die Türkei nach Guantánamo geflogen worden. Die USA hätten Bosnien zuvor mit einem Stopp ihrer Finanzhilfen gedroht, falls die Männer nicht ausgeliefert würden.
Oleksey sagte, seine Informationen stammten von US-Behörden und aus Gesprächen mit den sechs Häftlingen, die er sieben Mal in dem Gefangenenlager auf Kuba besucht habe. Der Anwalt, der die Häftlinge vertritt, sprach von einem « grob rechtswidrigen Transfer ».
Deutsche Quellen
Oleksey zufolge wussten deutsche Militärs frühzeitig von den illegalen Gefangennahmen des US-Geheimdienstes in Bosnien-Herzegowina. Bundeswehrangehörige hätten dort als Journalisten getarnt die Familien der Männer befragt, sagte er. Ihm liege die Kopie eines deutschen Geheimberichts vor, der genau dies bestätige.
« Diese deutschen Militärangehörigen, die sich als Journalisten ausgaben, haben festgestellt, dass es sich um Opfer handelt und nicht um Mörder oder Terroristen », so Oleskey. « Ich hoffe, dass der Ausschuss die deutsche Regierung befragen wird, was sie dort im Jahr 2003 tat ». Der Ausschuss müsse auch prüfen, warum Deutschland nichts unternommen habe, wenn die Regierung von den illegalen Festnahmen des CIA gewusst habe. Den Geheimbericht überreichte Oleskey dem Untersuchungsausschuss allerdings nicht, weil er seine Informanten nicht gefährden wolle.
Der Ausschuss der Europarats untersucht Berichte, nach denen die CIA geheime Haftanstalten in Osteuropa unterhält. Die Abgeordneten wollen am Mittwoch einen vorläufigen Bericht vorlegen.
(N24.de, Netzeitung)