Skandal in der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende
Mit Billigung deutscher Behörden macht der algerische Generalkonsul algerischen Asylantragstellern seine Aufwartung
Pro Asyl, 15. August 2005
Asylsuchende dürfen zu Recht erwarten, mindestens bis zum Abschluss ihres Verfahrens nicht mit Vertretern des Landes konfrontiert zu werden, aus dem sie geflüchtet sind. Dass dies leider nicht selbstverständlich ist, zeigt ein Vorfall in Trier, der erst jetzt bekannt wurde.
Der Leiter der Trierer Ausländerbehörde und zugleich Leiter der Clearingstelle des Landes Rheinland-Pfalz für Passbeschaffung, Dietmar Martini-Emden, machte am 11. Mai 2005 einen Rundgang durch die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende. In seiner Begleitung: der algerische Generalkonsul mit zwei weiteren Personen und einer Dolmetscherin. Offenbar sollte dem Konsul gezeigt werden, wie Flüchtlinge untergebracht sind. Statt Porta Nigra und Amphitheater wurden so Menschen zum Objekt des Sightseeings.
Bis dahin bereits eine problematische Idee, wurde die Angelegenheit dann vollends zum Skandal: Martini-Emden entsprach dem Wunsch des Konsuls, algerische Landsleute aufzusuchen. Die algerische Familie B. sah sich plötzlich dem Generalkonsul, weiteren unbekannten Algeriern und dem stellvertretenden Leiter der Aufnahmeeinrichtung gegenüber. Nach anfänglichem small talk fragte der Generalkonsul die Familie auf arabisch, was sie bewogen habe, in Deutschland Asyl zu beantragen. Dies gab die verunsicherte Familie später gegenüber ihrem Anwalt, Karl-Heinz Angele aus Trier, an. Man habe angenommen, dass der Besuch im Zusammenhang mit dem im Asylverfahren vorgebrachten Vorkommnissen in ihrem Heimatland stehe. Nach Angaben des Anwalts hat die Ausländerbehörde Trier den Besuch bestätigt.
„Wenn Botschaftsangehörige in Begleitung deutscher Behörden ‚ihre’ Flüchtlinge noch während des laufenden Asylverfahrens heimsuchen können, dann ist das ein massiver Verstoß gegen den Flüchtlingsschutz“, so Siegfried Pick vom Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz.
PRO ASYL-Referent Bernd Mesovic: „Die für Passbeschaffung zuständigen Behörden haben auch in anderen Bundesländern oftmals fragwürdige Beziehungen zu Vertretern von Problemstaaten. In Trier jedoch wurde eine weitere Grenze überschritten.“
Der Arbeitskreis Asyl und PRO ASYL sehen das Innenministerium in Mainz in der Pflicht, den Vorfall lückenlos aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen.
Dietmar Martini-Emden steht mit diesem Vorfall nicht zum ersten Mal im Rampenlicht. Seine Suspendierung wurde bereits im Zusammenhang mit früheren Vorkommnissen gefordert.
gez. Bernd Mesovic gez. Siggi Pick
Referent bei PRO ASYL Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Zum Hintergrund: Die Kritik an Missständen im Verantwortungsbereich von Herrn Martini-Emden in den letzten Jahren:
· In einem Papier aus dem Jahre 2000 zur Funktion der rheinland-pfälzischen Landesunterkunft für Ausreisepflichtige sah Martini-Emden deren Wirkungsweise darin, „die Menschen in eine gewisse Stimmung der Hoffnungslosig- und Orientierungslosigkeit“ zu versetzen.
· Im Jahre 2001 fand in seinem Verantwortungsbereich eine überaus merkwürdige „Penisschau“ bei einem Ausreisepflichtigen statt, die offenbar absurderweise dem Zweck der Identitätsklärung dienen sollte. In einem Schreiben vom 2. Januar 2002 rechtfertigte Martini-Emden den Vorgang u.a. damit, dass es sich beim Vorweisen des Penis auf der Behördentoilette möglicherweise um ein „freiwilliges Beweisangebot“ des Betroffenen gehandelt habe. (PRO ASYL Presseerklärung vom 4. Februar 2002)
· Im Jahre 2002 führte das Bundesministerium des Innern in China Gespräche mit dem Ministerium für öffentliche Sicherheit der Volksrepublik. An diesen Gesprächen mit dem chinesischen Sicherheitsministerium nahm Martini-Emden als Vertreter der Bundesländer teil. Diese Gespräche dienten der Vorbereitung der im Juni 2003 erfolgten Expertenanhörungen, so der damalige rheinland-pfälzische Innenminister Zuber.
Die Vorgänge um die im Jahr 2003 folgenden Zwangsvorführungen von Chinesen in Trier waren der nächste Skandal unter der Ägide des Behördenleiters Martini-Emden. Ausreisepflichtige chinesische Staatsangehörige wurden nicht näher ausgewiesenen chinesischen „Experten“ zwangsvorgeführt. Nichtkonsularisches Personal konnte in deutschen Behördenräumen im Martini-Emden Bereich schalten und walten. Nachfragenden gegenüber verweigerte Martini-Emden eine Antwort auf die Frage, ob im Haus die Menschenrechte beachtet würden, nachdem einbestellte Chinesen sich bedroht gefühlt hatten. (PRO ASYL-Presseerklärung vom 4. August 2003)