Flughafenasylverfahren: Abschaffung gefordert (PRO ASYL)

Presseerklärung

11. Dezember 1998

Flughafenasylverfahren:

PRO ASYL

kritisiert mangelnden Menschenrechtsschutz

Abschaffung gefordert

Die ersatzlose Streichung des Flughafenasylverfahrens fordert anläßlich des heutigen Besuchs von Bundesinnenminister Otto Schily die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Die Ausgestaltung des Verfahrens mit seinen extrem kurzen Fristen sei strukturell unfair. Die gesetzlichen Vorgaben führten zu einer mangelhaften Entscheidungsqualität. Zudem fühle sich offensichtlich ein Teil der am Flughafen eingesetzten Bundesamtsbediensteten dazu ermutigt, lediglich grob geschnitzte Glaubwürdigkeitsprüfungen vorzu-nehmen, bei denen die eigentlichen Fluchtgründe nur noch ein Randthema sind.

Trotz massiver Kritik am Verfahren und einzelnen Entscheidern habe die letzte Bundesregierung keinerlei Konsequenzen in der Führung des Bundesamtes gezogen. Nach wie vor müßten Entscheider, die eine anerkennende Entscheidung beabsichtigten, sie dem Dienstvorgesetzten vorlegen. « Auf diese Weise wird ein unerträglicher Druck ausgeübt, zu Ungunsten der Flüchtlinge zu ermitteln und zu entscheiden », sagte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL.

Die « Ruck zuck-Struktur » des Schnellverfahrens wirke in Verbindung mit dem Dogma der obergerichtlichen Rechtsprechung, die Opfer nichtstaatlicher Verfolgung in der Regel vom Asyl ausschließt, verheerend. Selbst der Abschiebungsschutz nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention werde verweigert nach dem Motto: « Kein Staat – keine Folter – kein Abschiebungsschutz – Rückflug », sagte Kauffmann.

PRO ASYL erinnert daran, daß bei der denkbar knappen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 die unterlegene Minderheit der Richter die Rechtmäßigkeit des Flughafenverfahrens bezweifelt habe. Die Praxis habe gezeigt, daß die von der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Jutta Limbach, und den Richtern Böckenförde und Sommer vorgetragene Kritik, es bestehe die « erhebliche Gefahr unanfechtbarer gerichtlicher Fehlentscheidungen », richtig gewesen sei.

Neben der Anhörungs- und Entscheidungspraxis im Flughafenverfahren kritisiert PRO ASYL auch die Unterbringung von Flüchtlingen unter gefängnisähnlichen Umständen. Die große Zahl von Fällen, in denen Flüchtlinge in die Psychiatrie eingeliefert würden, Selbsttötungsversuche und verzweifelte Fluchtversuche unternähmen, legten Zeugnis ab von der Situation.

Nicht akzeptabel sei auch der Umgang mit Kindern im Flughafenverfahren. Minderjährige seien erst durch einen Erlaß des damaligen Bundesinnenministers Manfred Kanther vom Juni 1994 in das Flughafenverfahren hinein gezwungen worden. PRO ASYL erinnert an die Absichtserklärung der damaligen Oppositionsparteien und ihre eindeutigen Willensbekundungen im Innenausschuß, diese Praxis wieder ändern zu wollen.