Greifswalder nahm sich in der Haft das Leben
Mit Schnürsenkeln am Haken erhängt
Silke Zschäckel, Ostsee Zeitung, 29.05.01
Greifswald/Neustrelitz (OZ) Mit seinen Schnürsenkeln hat sich der 18-Jährige am Handtuchhaken seiner Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Neustrelitz erhängt. Beim Kontrollgang Sonntagmittag entdeckte ein Vollzugsbeamter den leblosen Körper. Trotz sofortiger Rettungsmaßnahmen verstarb der Mann am Abend im Krankenhaus, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben.
Nach Angaben des leitenden Oberstaatsanwalts in Neubrandenburg, Reiner Moser, habe der 18-Jährige gegenüber der Polizei seine Beteiligung an der Tat eingestanden. Beim Haftrichter habe er allerdings keine Angaben mehr gemacht. Wie groß sein Anteil an dem Verbrechen sei, werden weitere Ermittlungen ergeben. Fakt ist, dass die vier Tatverdächtigen den 31-jährigen Algerier wegen eines nicht zustandegekommenen Drogendeals töteten. An einer Greifswalder Tankstelle zerrten sie ihn ins Auto und fuhren an einen Kiessee bei Jarmen. Dort wurde Mohamed Belhadj mit Tritten und Schlägen malträtiert und ihm ein schwerer Stein auf den Kopf geschmissen. Schließlich blieb Belhadj im flachen Wasser liegen. Gegenüber der Polizei erklärten die vier 18-22 Jahre alten Täter nach der Festnahme am 15. Mai, dass sie davon ausgingen, dass der Algerier entweder schon tot sei oder zumindest sterben würde.
Nun hat also einer der Tatverdächtigen große Willenskraft aufgebracht, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Warum? Das versucht die Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Vorerst bleibt dies Gegenstand von Spekulationen. Isolation, Zeit zum Nachdenken, Bewusstwerden der Schuld, Angst vorm Verlust von Freunden und Familie ist die mögliche Kette von Ursachen, die immer wieder zu Suiziden hinter Gefängnismauern führt. In M-V war dies der zweite in diesem Jahr. 2000 brachten sich hier ebenfalls zwei Häftlinge um. 1999 waren es drei. Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte, dass die Vollzugsbeamten in Neustrelitz keinerlei Anlass hatten, einen Selbstmord des 18-Jährigen zu befürchten. Für suizidgefährdete Gefangene gibt es die Möglichkeit, sie in einer Zweimannzelle unterzubringen.
Suiziden dieser Art soll künftig nicht damit vorgebeugt werden, dass Gefangene keine Schuhe mit Schnürsenkeln mehr tragen dürfen. Die Zeit der Holzpantinen sei vorbei. Es gehöre zur Würde der Inhaftierten, dass sie ihr eigenes Schuhwerk tragen dürfen. Gebe es allerdings Hinweise auf Suizidabsichten, würden Schnürsenkel abgenommen.