Rassismus: Ein junger Oraner in Deutschland ermordet

Rassismus: Ein junger Oraner in Deutschland ermordet

M. Mazari, Le Quotidien d´Oran, 21 mai 2001, (Übersetzung)

Die algerische Tageszeitung « Le Quotidien d´Oran » schreibt über den Mord an dem Asylbewerber Mohamed Belhadj, der von vier Greifswalder Jugendlichen in Vorpommern getötet wurde:

Es ist zehn Uhr: ein Reisender steht allein auf dem verwaisten Bahnsteig des Bahnhofs Zarrenthin- Jarmen in Deutschland. Er erwartet einen Zug, der ihn nach Frankfurt bringen soll. Aber dieser Zug wird ihn nirgendwo hinbringen.Ein Auto hält, « Skinheads », Neonazis, springen heraus. Ihr Ziel: Mord an dem jungen Mohamed Belhadj, einem Oraner, einem Algerier, einem Araber. Einem unerwünschten Ausländer. Nachdem sie ihr schmutziges Geschäft erledigt haben, fahren sie zu einer anderen ebenso schmutzigen « Mission » weiter. Das geschah am 19. April, am Geburtstag von Mohamed. Er war gerade 31 Jahre alt geworden, und nun dies.

Sein Körper wurde am 16. Mai zum Flughafen Houari Boumédiene überführt. Acht Jahre nach seiner Emigration. Man riet der Familie, nicht den Sarg zu öffnen, wegen des schrecklichen Anblicks: der junge Mohamed war völlig entstellt. Einer seiner Freunde hatte einer Institution in Frankfurt, das Institut « Uludag » beauftragt, sich um den Leichnam, den Transport, den Sarg und um alle Formalitäten zu kümmern, die unter diesen Umständen erforderlich sind. Ein Artikel, eher eine Kurzmeldung, wurde ihm in der deutschen Presse gewidmet. So etwas ist in Deutschland Alltag geworden, rassistische Morde häufen sich und werden banalisiert. Übrigens haben in den Tagen nach dem Mord an Mohamed vier weitere Algerier, alle aus der Region Tiaret, das gleiche Schicksal erlitten, erfährt man vom Vater Mohameds. Viele Algerier sterben in Deutschland in völliger Anonymität. Nichts dringt von den Untersuchungen über ihre Todesumstände an die Öffentlichkeit.

Für Mohamed war es nicht die erste Auseinandersetzung mit « Skinheads ». Er hatte schon zweimal zuvor mit ihnen Probleme bekommen. Ein Streit mit jungen Ausländerfeinden brachte ihm vier Monate Gefängnis. Er wollte einen seiner algerischen Freunde, die von einer Gruppe Jugendlicher attackiert wurde, verteidigen. Dabei stürzte einer von ihnen gegen eine Scheibe, die zerbrach. Er wurde verhaftet, verurteilt und eingesperrt.

Die Botschaft Algeriens in Deutschland steht « derzeit in Kontakt mit der Ausländerbehörde. Der Bericht wird nach Abschluß der Untersuchungen an die Botschaft übergeben », ist vom Vater des Opfers zu erfahren: « Ich möchte wissen, unter welchen Umständen mein Sohn gestorben ist. » « Er wurde gelyncht, entstellt, man bringt ihn mir in einer Kiste zurück, und ich kann nicht einmal ein letztes Mal sein Gesicht sehen », fügt er schmerzlich hinzu. Er hatte ihn einmal gebeten, in den Schoß der Familie zurückzukehren, weil er Angst hatte zu sterben, ohne ihn noch einmal gesehen zu haben. « Das Schicksal wollte, daß er vor mir stirbt », sagt er mit einem Seufzer.Mit einer Geste verjagt er seine Traurigkeit und empört sich: « Unsere Kinder sterben im Ausland ohne irgendwelchen Schutz. Das Schlimmste ist, daß ganze algerische Familien in Deutschland leben, ich fürchte für sie und ihre Kinder, sie sind gefährdet. »

Drei Tage vor seinem Tod hatte Mohamed mit seiner Schwester telefoniert. Er hatte ihr angekündigt, daß er vielleicht in sein Land zurückkehren werde. Vorahnung oder Schicksal, er kehrte zurück- in einem Sarg. Der deutsche Traum hatte ihn besiegt.

 

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