Unruhen in Algerien

Unruhen in Algerien

Wie in Tunesien protestieren vorwiegend junge Menschen gegen soziale Missstände

Thomas Pany,Telepolis, 07 Januar 2011

Ähnlich wie aus dem Nachbarland Tunesien (siehe Ben Ali, die Studenten, die Mafia und Anonymous) werden nun auch Unruhen aus Algerien gemeldet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von jungen Männern ausgehen, die an ihrer sozialen Situation verzweifeln und in Wut geraten sind. Allerdings fallen die algerischen Proteste gewaltsamer aus, so der Eindruck, den französische Medienberichte vermitteln. Auch das Magazin Jeune Afrique schreibt von besonders gewalttätigen Demonstrationen, die sich ausweiten würden.

So kam es gestern in Algier zu Ausschreitungen im Zentrum und in Randbezirken der algerischen Hauptstadt: Geschäftsinhaber sollen die Rolläden zum Schutz ihrer Läden bereits am Nachmittag heruntergelassen haben, das Stadtzentrum war am Abend von Autos leergeräumt und voller junger Menschen, berichtet das französische Nachrichtenmagazin Nouvel Observateur.

Im teuren, schicken Viertel El Biar sollen rund vierzig junge « mit Säbeln » bewaffnete Männer zahlreiche Geschäfte, ein Restaurant und ein Juweliergeschäft angegriffen haben, bevor sie von Sicherheitskräften umstellt wurden. Mit einem größeren Aufgebot und « schwerbewaffnet » setzte die Polizei im dichtbesiedelten Viertel Bab el Oued, ein sogenanntes « quartier populaire », Wasserwerfer und Tränengas ein, gegen eine Menge aufgebrachter junger Menschen vorzugehen (Video) – die zweite Demonstration innerhalb von zwei Nächten. Mehrere Autos und auch ein öffentlicher Bus wurden angezündet. Die Polizei habe die Universität umstellt und würde Moscheen in Problemvierteln überwachen, berichtet die französische Tageszeitung Le Parisien. Für den heutigen Freitag, dem Festtag der Muslime, würden sich die Straßen der Hauptstadt wieder sauber und ruhig präsentieren. Ob dies so bleibt?

Unruhen gab es auch in anderen Landesteilen. So etwa in der Kabylei, wo von Demonstrationen berichtet wird, in deren Zuge wichtige Straßenverbindungen durch gefällte Bäume und brennende Autoreifen blockiert wurden. Ähnliche Sperren wurden auch in der östlichen Großstadt Constantine beobachtet. Dort kam es in mehreren Wohnvierteln zu Ausschreitungen.

Auch im Küstenort Oran kam es am Mittwoch zu gewaltsamen Protesten, die Situation soll nach wie vor angespannt sein.

Nach Angaben eines Nachrichtenagentur-Korrespondenten wurden Sicherheitskräfte an der Grenze zu Tunesien, wo es seit Mitte Dezember Unruhen gibt, deutlich verstärkt. Als Grund für die « gewaltsamen Unruhen » werden die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten, insbesondere eine starke Erhöhung der Grundnahrungsmittelpreise, sowie der Mangel an Wohnungen und die hohe Arbeitslosigkeit genannt (vgl. dazu auch Müssen die autoritären arabischen Regimes Machtverlust fürchten?).