Geiseln nicht mehr in der Gewalt der Entführer
Spiegel-Online, 18. August 2003
Die 14 in Algerien entführten europäischen Touristen sind nach den Worten des außenpolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Ludger Volmer, nicht mehr in der Gewalt der Entführer. Doch solange die Verschleppten nicht in Händen der deutschen Behörden sind, geht der Nervenkrieg weiter.
Bamako – Volmer sagte am Montagmorgen im Deutschlandfunk, es bestehe jedoch die Gefahr, « dass die Entführer aber vielleicht noch die Möglichkeit haben, doch wieder Einfluss zu nehmen auf den Prozess, weil einfach der zweite Schritt, nämlich sie von den Vermittlern nun weiterzuleiten an die deutschen Behörden … nicht funktioniert ». Im Moment gebe es aber keine konkreten Hinweise darauf, dass die Entführer nochmal versuchen, Einfluss zu nehmen.
Ob von der Bundesrepublik Lösegeld gezahlt gezahlt worden sei, sagte Volmer nicht. « Über Geld reden wir eigentlich nicht », sagte er und fügte hinzu: « Die Bundesrepublik zahlt kein Lösegeld, und wenn sie es tun würde, würde sie es nie zugeben. »
Nach Angaben von Nachrichtenagenturen sind die Geiseln derzeit in der Hand von Mittelsmännern. Diese würden sie bald den malischen Behörden übergeben. Sobald die Männer und Frauen in deutscher Hand seien, werde Berlin mitteilen: « Sie sind frei. »
Ein erster Übergabeversuch war gescheitert. Nach Berichten der ARD sollten die Geiseln, die an verschiedenen, weit auseinander liegenden Orten im Norden des afrikanischen Staates von radikalen Islamisten aus Algerien gefangen gehalten wurden, in einer Gruppe zusammengeführt und dann von einem Flugzeug abgeholt werden. Das habe « aus logistischen Gründen » offenbar nicht geklappt, hieß es in den « Tagesthemen ». Die Geiseln und ihre Entführer hätten den vereinbarten Treffpunkt offenbar nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit erreicht. Ein bereitgestelltes Flugzeug habe den Ort der geplanten Übergabe daraufhin leer verlassen.
Das ZDF berichtete, die Geiseln seien bereits in den Händen von Mittelsmännern. Demnach soll ein malischer Unterhändler bereits am Samstag ein Lösegeld an die Geiselnehmer übergeben haben. Dem Vernehmen nach kam das Geld nicht von der Bundesregierung. Auch die Höhe der Summe sei nicht genau bekannt. Die in Medienberichten einmal als Forderung der Kidnapper genannte Summe von 64 Millionen Euro halten Experten einhellig für weit übertrieben.
Der deutsche Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, war am Sonntagnachmittag (Ortszeit) mit einem Luftwaffen-Airbus in Bamako eingetroffen. Er hatte nach der Landung gesagt: « Ich wäre nicht hier, wenn wir nicht guter Hoffnung wären. Wir stellen uns auf alles ein. » Man wisse jedoch noch nicht, wo sich die auf mehrere Gruppen verteilten Geiseln genau befänden. Die Bundesregierung habe aber « alle Voraussetzungen geschaffen, um sie nach Hause zu bringen ». Auf die Frage, ob es ein « guter Tag » für ihn sei, sagte Chrobog vor Journalisten: « Fragen sie mich das heute Abend oder morgen früh. »
Nach inoffiziellen Berichten stand in der Stadt Gao im Norden Malis eine Transall-Maschine der Bundesluftwaffe bereit, um die 14 Touristen, die seit Februar durch Algerien und Mali geschleppt werden, nach der Freilassung nach Bamako zu bringen. Dort sollen die Freigelassenen medizinisch versorgt und mit einem Airbus der Bundeswehr in ihre Heimat geflogen werden.
Das Flugzeug mit Chrobog war um 16.01 Uhr Ortszeit (18.01 MESZ)auf dem internationalen Flughafen von Bamako gelandet. Der Luftwaffen-Airbus war nach Augenzeugenberichten auch mit medizinischem Gerät und Personal ausgestattet. Chrobog, der die Bemühungen Berlins um die Freilassung der Geiseln koordiniert, hatte zuletzt am Donnerstag in Bamako mit der Regierung Malis gesprochen und vor allem die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden gelobt.
Insgesamt waren zuletzt neun Touristen aus Deutschland, vier Schweizer und ein Niederländer in der Hand der Entführer. Sie waren am 22. Februar und am 8. März gemeinsam mit anderen Europäern im algerischen Teil der Sahara verschleppt worden. 17 Geiseln wurden Mitte Mai in Algerien befreit. Eine Gefangene, die 46 Jahre alte Deutsche Michaela Spitzer, starb am 28. Juni an einem Hitzschlag.
Mit den restlichen Geiseln war die Kidnapper-Gruppe in den malischen Teil der Wüste geflohen, wo sie seitdem in der Bergregion um Kidal im Norden des Landes lokalisiert wurde. In den vergangenen Tagen soll die Gruppe der 14 Entführten weit verstreut gewesen sein.
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Sahara-Geiseln sind in Sicherheit und in der Hand von Mittelsmännern
Netzeitung, 18. Aug 08:11
Die 14 vor Monaten in der Sahara verschleppten europäischen
Touristen befinden sich nicht mehr in der Hand ihrer Entführer.
Vermittler kümmern sich um die Geiseln. Eine geplante Übergabe an die Behörden am Sonntagabend scheiterte an der einbrechenden Dunkelheit.
Die 14 Sahara-Geiseln sind in Sicherheit. Das meldete die
Nachrichtenagentur ddp am Montagmorgen unter Berufung auf eine
«zuverlässige Quelle». Sie seien noch in der Hand von Mittelsmännern, hieß es.
Diese würden sie bald den Behörden von Mali übergeben. Die
Entführer hatten laut ddp ihre Geiseln gegen Zahlung eines Lösegeldes am Sonntag freigelassen. Sobald die Männer und Frauen in deutscher Hand seien, werde die Bundesregierung mitteilen: «Sie sind frei.»
Übergabeversuch am Sonntagabend scheiterte
Eine erster Übergabeversuch war am Sonntag Abend im Norden
Malis nach TV-Berichten aus logistischen Gründen gescheitert. Die
Entführer hätten ihre Geiseln – die weit verstreut festgehalten worden seien – nicht zur richtigen Zeit am vereinbarten Ort zusammengeführt.
Die Verzögerung sei durch die einbrechende Dunkelheit ausgelöst worden, hieß es.
Die Freigelassenen sollen mit einer malischen Regierungsmaschine nach Gao am Niger gebracht werden. Es ist geplant, dass ein Bundeswehr-Flugzeug sie von dort aus in Malis Hauptstadt Bamako
fliegen werde, wo bereits Staatssekretär Jürgen Chrobog vom Auswärtigen Amt mit einem Airbus der Luftwaffe auf sie wartet.
Noch am Montag zurück nach Wahn bei Köln
Noch am Montag sollen die Sahara-Touristen, die jetzt ein
halbes Jahr in der Gewalt von islamistischen Kidnappern waren, am Montag nach Deutschland zurückkehren, voraussichtlich nach Wahn bei Köln. Von den ursprünglich 32 Entführten waren 17 schon Mitte Mai freigekommen.
Eine Frau war im Juli in der Wüste gestorben. (nz)