Schöne Augen für Bush: Bouteflika brüskiert Chirac

Algerien

Schöne Augen für Bush: Bouteflika brüskiert Chirac

T-Online, 20. April 2006, http://www2.onnachrichten.t-online.de/dyn/c/76/36/45/7636456.html

Mit immer schärferen Tönen fordert der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika den frühere Kolonialherrn Frankreich heraus. Der 69-Jährige fühlt sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und legt die Latte für einen algerisch-französischen Freundschaftsvertrages, den Paris anstrebt, immer höher. Geschickt festigt Bouteflika weiter seine Stellung in dem nordafrikanischen Ölstaat. Gleichzeitig macht er den USA – Frankreichs Rivalen – schöne Augen. Nicht zuletzt geht es um den Maghreb: Algier hält Paris vor, Marokko im Streit der Nachbarländer um die Westsahara zu freundlich gesonnen zu sein.

« Berber, Araber, Europäer oder Franzosen »
« Die Kolonialzeit hat zu einem Genozid unserer Identität, unserer Geschichte, unserer Sprache und unserer Bräuche geführt » – so holte Bouteflika am Ostersonntag in Constantine zu einem Frontalangriff auf das Land aus, das von 1830 bis 1962 Kolonialmacht in Algerien war: « Wir wissen nicht mehr, ob wir Berber sind, Araber, Europäer oder Franzosen. » Seit Monaten geißelt der Staatschef die « Verbrechen » der Franzosen in der Vergangenheit. Obwohl er Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac doch schätzt, schraubt Bouteflika seine Forderungen an den ursprünglich schon für Ende 2005 vorgesehenen Freundschaftsvertrag immer höher.

Rohölpreise stärken den Rücken
Mit etwa 50 Milliarden Dollar an Finanzreserven und phantastischen Einnahmen dank steil steigender Rohölpreise im Rücken, kann es sich Bouteflika problemlos leisten, Paris gegenüber aufzutrumpfen. Im vergangenen Jahr trug algerische Empörung wesentlich dazu bei, dass eine Gesetzespassage über positive Seiten der Kolonialherrschaft in Paris zurückgenommen wurde. Doch das reicht dem Staatschef nicht, der immer mehr auf islamische Strömungen in Algerien eingeht. Er strebt einen Vertrag mit Paris an, so gewichtig wie die deutsch-französische Aussöhnung. In Algier verlangen derweil manche, Chirac müsse zuvor erst öffentlich Reue für die Untaten in der Kolonialzeit bekunden.

USA haben Interesse an Algerien
Er mag nach einer schweren Erkrankung im vergangenen Jahr noch immer blass sein und nur langsam gehen – der erfahrene Staatschef und frühere Spitzendiplomat seines Landes weiß aber, was er will: Paris muss davon abgehalten werden, offen mit Rabat zu flirten und den marokkanischen Autonomieplan für die Westsahara zu unterstützen. Das Interesse der US-Regierung von Präsident George W. Bush an Algerien wegen der strategischen Bedeutung im Kampf gegen den internationalen Terror kommt Bouteflika dabei zugute. Auch der Pariser Außenminister Philippe Douste-Blazy hat das Eis bei einem jüngsten Besuch in Algier nicht brechen können. Den Franzosen wird politisch nichts geschenkt – noch ein Zeichen einer auch außenpolitischen Schwäche Chiracs, der durch soziale Krisen und Unruhen zu Hause stark angeschlagen zu sein scheint.

Gern gesehener Gesprächspartner
Gerade ist der Stabschef der algerischen Armee, Ahmed Gaïd Salah, in den USA, um die militärische Zusammenarbeit zu vertiefen. Die USA setzten auf Algerien, hatte Pentagonchef Donald Rumsfeld unlängst in Algier erläutert. Und als Außenminister Mohamed Bedjaoui vergangene Woche in Washington war, empfing ihn nicht nur Kollegin Condoleezza Rice. Auch US-Geheimdienstchefs schätzten das Gespräch mit ihm, hat Algerien doch blutige Erfahrungen im Kampf gegen islamischen Terror gesammelt. Das jüngste Gerücht in Algier kündigt jetzt eine Visite von US-Vizepräsident Dick Cheney bei Bouteflika an. Der dürfte es sich dann nicht nehmen lassen, auch daraus wieder Kapital zu schlagen.

Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa