Terror im Maghreb

Algerien

Terror im Maghreb

Anfang April macht eine Gruppe „Al-Kaida Maghreb“ mit blutigen Anschlägen in Algier auf sich aufmerksam. Aber wer oder was steckt dahinter?

Kritische Ökologie Nr.67 – Bd. 22[1] 4-5. 2007, Berlin / Göttingen, April 2007

Am 11. April (!) explodierten in Algier mehrere Autobomben und rissen mehr als 30 Menschen in den Tod; über 100 wurden z.T. schwer verletzt – zum überwiegenden Teil solche, die das große Pech hatten, gerade in diesen Augenblicken hier vorbeigekommen zu sein. Ziel der Anschläge war einmal der Amtssitz von Ministerpräsident Abdelasis Belkhadem und das Polizeikommissariat im Vorort Bab Ezzouar. Die Verantwortung für die mörderischen Anschläge hat eine Gruppe „Al-Kaida Maghreb“ übernommen.

Bereits einen Tag zuvor am 10. April sprengte sich ein Mann in die Luft, ein zweiter wurde erschossen, bevor er ebenso einen Sprengsatz zünden konnte. Nach einem dritten Mann werde gefahndet, wie die marokkanische Polizei mitteilte. Dies ereignete sich während einer Razzia, als die Polizei das Stadtviertel al-Fida von Casablanca, Marokko auf der Suche nach Komplizen eines Selbstmordattentäters durchkämmte, der sich am 11. März (!)*) das Leben genommen hatte.
Spätestens nach dem Angriffskrieg des Westens gegen Afghanistan, der in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September (!) 2001 erfolgte, rückte der Maghreb und die Sahelregion der Staaten Algerien, Mali, Marokko, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Tschad und Tunesien in den Fokus vor allem US-amerikanischer Terrorbekämpfung, die vom US-Hauptquartier für Europa (EUCOM) in Stuttgart aus koordiniert und gelenkt wird. Seit 2002 arbeiten die USA an dem eigens für das nördliche Afrika einzurichtende Oberkommando AFRICOM, das neben der bereits identifizierten Krisenregion auch einen riesigen Ost-West-Gürtel vom Horn von Afrika – vor allem Somalia – bis zum Golf von Guinea abdecken soll.

Erstaunlicherweise erfolgten die mörderischen Bombenanschläge in Algier kurz vor der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung von AFRICOM; und die Terrorszene in Algerien ist so durchsichtig wie eine Mehlsuppe. Immer wieder haben Menschenrechtsorganisationen Beweise für die Beteiligung von algerischen Sicherheitskräften an Terroraktionen im Lande vorgelegt. Dabei ist auch die Entstehung und das spurlose Verschwinden von Terrororganisationen auffällig: Diese „Al-Kaida Maghreb“ gibt es erst seit Januar diesen Jahres. Vorher machte die „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC: Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat) auf sich aufmerksam, u.a. wurde ihr die Entführungen deutscher und österreichischer Sahara-Touristen 2003 nachgesagt. Diese Gruppe tauchte aus dem Nichts plötzlich auf, nachdem die „bewaffnete islamische Gruppe“ (GIA: Groupe Islamique Armé) im Laufe des algerischen „Versöhnungsprozesses“ spurlos verschwunden war. Zuvor machte eine „Organisation der jungen freien Algerier“ (OJAL: L’ Organisation des jeunes Algériens libres) auf sich aufmerksam und war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

Beobachter wie der den LeserInnen dieser Zeitschrift wohl bekannte Prof. Werner Ruf sehen diese mörderischen Anschläge im Zusammenhang mit dem „Antiterrorkampf“ vor allem der USA in der Region – und dafür werden schließlich Terroristen benötigt. Die herrschende algerische Militär-Clique hat sich nicht zum ersten Mal als Vorreiter „im Kampf gegen den Terror“ profilieren wollen und dadurch bisher auch stets die notwendige westliche Unterstützung erhalten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die USA Militärstützpunkte im Süden Algeriens unterhalten und Kampftruppen stationiert haben; gemeinsame Manöver mit der algerischen „Volksbefreiungsarmee“ haben wiederholt stattgefunden.

Die Bemühungen der USA in der Region und mit AFRICOM auch darüber hinaus lassen sich durchaus auch unter dem Kapitel: Zugang zu Rohstoffen – gegen europäische und neuerdings chinesische Konkurrenz – lesen. So sind die USA dabei, ihren bisherigen Anteil an Rohöl-Importen aus Afrika von derzeit 16 Prozent bis 2015 auf 25 Prozent aus möglichst breit gestreuten Quellen zu steigern, um ihre Abhängigkeit aus dem Nahen Osten zu reduzieren und in keine weitere zu gelangen. So gesehen, kann das algerische Öl schon „einen Feldzug gegen den Terror“ wert sein.
Für Beobachter wie Werner Ruf kamen jedenfalls diese mörderischen Terroranschläge nicht völlig unerwartet. (Kritische Ökologie / ag)

*) Am 11. März 2004 starben in Madrid etwa 200 Menschen und etwa 1.500 wurden z.T. schwer verletzt, als in einem Regionalzug Bomben explodierten. Die Anschläge kosteten der Partido Popular den sicher geglaubten Wahlsieg; der Wahlsieger José Luis Rodríguez ZAPATERO setzte bald ein Wahlkampfversprechen um und zog die spanischen „Koalition-der-Willigen-Truppen“ aus dem Irak ab, die sein Vorgänger José María AZNAR gegen den Willen der meisten Spanierinnen und Spanier dorthin geschickt hatte.