Front gegen US-Kommando in Afrika
USA auf der Suche nach Verbündeten für das neu etablierte Afrika-Kommando, das vorerst in Stuttgart beheimatet ist
Der Standard, 9. Oktober 2007
Am ersten Oktober hat das neue Afrika-Kommando der US-Streitkräfte (AfriCom) unter dem General William Ward in Deutschland seine Arbeit aufgenommen. Das neue US-Regionalkommando will angesichts der strategischen Relevanz des Kontinents afrikanische Staaten im Aufbau der Sicherheitsstrukturen und im „Antiterrorkampf“ unterstützen, wie es auf der Website des Pentagons heißt. Kritiker wenden indessen ein, dass mit der neuen Kommandostruktur eine Sicherstellung der US-Interessen gewährleistet werden soll. Binnen eines Jahres soll AfriCom von seinem jetzigen Standort in Stuttgart in ein afrikanisches Land umgezogen sein. Doch wohin, ist noch nicht klar.
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Theresa Whelan, die für Afrika zuständige Vize-Staatssekretärin im Pentagon, lässt Kritiker der neuen US-Kommandostruktur außen vor: „Das Verteidigungsministerium wird das Rad nicht neu erfinden. Wir wollen an den Errungenschaften Afrikas andocken und helfen, die Sicherheitsstrukturen zu verbessern, damit sich Afrika den neuen Anforderungen besser stellen kann“. Denn Afrika habe eine wachsende strategische Bedeutung für die globale Sicherheit. General William Ward konkretisiert: “Die ökonomische, politische und soziale Bedeutung Afrikas wächst. AfriCom fokussiert Aufgaben rund um Friedenssicherung, Grenzsicherung und Küstenwache sowie Bemühungen im Kampf gegen den Terror.”
Im Gegensatz zu den vier anderen regionalen US-Kommandos in Europa, Asien und Amerika, werden neben Militärpersonal auch Zivilisten aus dem Außenministerium, dem Heimatschutz- und Energieministerium und der Hilfsorganisation „USAID“ beschäftigt. Eine neue Militärbasis wolle man durch AfriCom nicht schaffen, heißt es wiederholt seitens des Pentagon. Vielmehr werde das Kommando dazu beitragen, Krisensituationen und Schwachstellen in afrikanischen Staaten rechtzeitig zu erkennen. So könne verhindert werden, dass zunehmend instabile Länder von Extremisten als Unterschlupf und zum Anwerben von Jihadisten genutzt würden. Auch hat Washington erklärt, keine eigenen Truppen auf dem Kontinent zu stationieren. Zumindest vorerst, wie Kritiker anmerken. Stattdessen soll das 500 Mann starke AfriCom Verbindungen zur Afrikanischen Union und zu nationalen Regierungen aufbauen, um, wenn nötig, mit ihnen über die Entsendung von Truppen zu entscheiden.
Bedenken in Afrika
Trotz der wiederholten Zusicherung, AfriCom sei nicht mit der Aufstellung großer Soldatenkontingente verbunden, um Afrika militärisch unterzuordnen, reagieren Afrikas Regierungen großteils ablehnend. Zwar hat die Präsidentin des historischen Verbündeten Liberia, Ellen Johnson Sirleaf, den USA angeboten, in ihrem Land ein Hauptquartier aufzuschlagen. Wie der Informationsminister Liberias Lawrence Bropleh betonte, könne man aus einer solchen Kooperation nur Nutzen ziehen: durch die Hilfe beim Wiederaufbau des Landes und der Infrastruktur nach dem Bürgerkrieg.
Im Rest Afrikas fallen die Reaktionen hingegen weniger euphorisch aus. Libyen, Marokko und Algerien haben bereits erklärt, dass sie für ein Hauptquartier AfriComs nicht in Frage kämen. Denn trotz der Beteuerung Washingtons, das Kommando werde vor allem bei Entwicklung und Friedenssicherung helfen, befürchten afrikanische Regierungen, ins Visier amerikanischer Militärinteressen zu geraten.
Ferner sprachen sich im August die 14 Mitgliedsländer der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) eindeutig gegen eine Kommandostelle der USA in ihren Ländern aus. So betonte Südafrikas Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota, dass der Einfluss ausländischer, bewaffneter Kräfte keinesfalls das Gefühl von Sicherheit schaffe. Die SADC-Mitgliedstaaten seien daher zu der Auffassung gekommen, dass es besser sei, die USA würden sich aus der Distanz in Afrika engagieren.
Trans-Sahara-Initiative
Dass das Engagement in Afrika nicht neu ist, zeigt die verstärkte US-Präsenz seit den Anschlägen vom 11. September, besonders in den Ländern des Sahel-Raums, am Horn von Afrika sowie in geringerem Ausmaß auch in Westafrika. Einerseits stellt die von EUCOM koordinierte Trans-Sahara-Counterterrorism-Initiative (TSCTI) zur Terrorbekämpfung US-Ausbildner, Waffen sowie militärische Geräte bereit. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf angenommene Al Kaida- Stützpunkte, welche besonders in Algerien, Mali, Mauretanien, Marokko, Tschad, Niger und auch im Senegal vermutet werden. Von diesen Ländern steht besonders Algerien im Mittelpunkt der US-amerikanischen Afrikapolitik. Seit 2003 war EUCOM, das Oberkommando der USA in Stuttgart, mit dem Ausbau einer militärischen Struktur im Sahara-Sahelraum befasst. Ein erstes großes Militärmanöver, die „Operation Flintlock“ mit rund 800 US-Soldaten und 2.000 afrikanischen Soldaten, fand Ende Juni 2005 in Algerien statt.
Befürworter sehen in der neuen Kommandostruktur das groß angelegte Ziel, die Verbreitung des Jihadismus zu verhindern, um so auch indirekt die nationale Sicherheit der USA zu schützen. Für Kritiker der Initiative, wie beispielsweise den britischen Nordafrikaexperten Jeremy Keenan, erwachsen daraus hingegen neue Probleme. Die Vergangenheit habe gezeigt, so der Exeter Universitätsprofessor, dass dort, wo die USA in Afrika im Zeichen von friedenserhaltenden Maßnahmen und Terrorismusbekämpfung auftreten, die Probleme erst beginnen. Am Beispiel Algerien könne man sehen, so Keenan, dass Konflikte nach innen getragen werden: Staatliche Repression gegen Zivilgesellschaft und Opposition hätten sich dadurch vergrößert.
Rohstoffe
Als weiteres Motiv Washingtons käme Kritikern zufolge die Kontrolle über Rohstoffe und dem Ausbau der Handelsbeziehungen in Afrika hinzu. China hat seine bilateralen Beziehungen zu Afrika in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. Pekings Handelsvolumen mit Afrika wird auf 50 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Die Volksrepublik ist nach den USA und Frankreich und noch vor Großbritannien drittgrößter Handelspartner Afrikas. Doch auch Frankreich mit seiner nach wie vor bedeutenden wirtschaftlichen und militärischen Position soll durch AfriCom geschwächt werden, vermutet etwa der deutsche Politologe Werner Ruf. Und vor allem die Bestrebungen der Europäischen Union, sich auf dem Kontinent als Hegemon zu etablieren.
Ölvorkommen
Der Kontinent gilt nicht nur als Hoffnungsmarkt für Produkte der Industrienationen, er verfügt auch über reiche Ressourcenvorkommen: Fast die Hälfte des weltweiten Bauxit-, Chromit- und Diamantenabbaus erfolgt in Afrika, mehr als Hälfte des Platins wird dort gefördert sowie fast drei Viertel des Kobalts. Hinzu kommt, dass rund 16 Prozent der US-Ölimporte aus Afrika kommen. Bis 2015 soll der Anteil auf 25 Prozent steigen. Schätzungen zufolge betragen die gesamten Ölvorkommen in Afrika rund 112 Milliarden Barrel, was dem Vorkommen im Irak entspricht.
Besonders das südliche Afrika mit seinen Ölreserven ist hierbei von Bedeutung, sowie Nigeria und São Tomé und Principe im Golf von Guinea. Der Inselstaat wird seit der Präsentation von AfriCom im Februar als Stützpunkt für das Hauptquartier genannt. Aber auch die Regierungen in Botswana und Mosambik zeigen sich aktuellen Berichten zufolge an der Etablierung eines US-Hauptquartiers trotz der SADC-Erklärung vom August nicht mehr kategorisch abgeneigt. So betonte Botswanas Präsident Festus Mogae im September, man habe in seinem Land, das an Zimbabwe grenzt, noch keine Entscheidung getroffen. Und in Mosambik, das durch seinen langen Küstenstreifen im Südosten des Kontinents von besonderer geostrategischer Bedeutung ist, sorgt die US-Finanzhilfe in der Höhe von 500 Millionen Dollar für Spekulationen, dass sich das Land dafür noch dankbar zeigen wird.
In Washington selbst gibt man sich über die bilateralen Standort-Verhandlungen bedeckt. Die Details zu AfriCom müssten noch ausgearbeitet werden, Verhandlungen seien im Gange. Fest stehe nur, dass man rund fünf Basen auf dem Afrikanischen Kontinent errichten werde. (Christa Hager/derStandard.at, 8.10.2007)
Quellen und Links
- eucom.mil/africom
- Pentagon: US-Africa Command (pdf-Datei)
- Southern African Development Community (SADC)
- Africa Command Poised to Help Continent’s Security, Stability
- New Commander Speaks of Military’s Newest Combatant Command
- Comments on the U.S. Africa Command by South African Ministers
- « Al Qaida im Maghreb » – Von Werner Ruf
- Jeremy H. Keenan, Security & Insecurity in North Africa, Review of African Political Economy, Vol. 108, 2006.