Neue Serie von Bombenanschlägen in Algerien

Neue Serie von Bombenanschlägen in Algerien

Erstmals ein Ausländer unter den Todesopfern

Nach fünf Monaten relativer Ruhe fordern Anschläge islamistischer Extremisten in Algerien wieder Opfer unter Zivilisten. Erstmals seit 1994 ist auch ein Ausländer unter den Toten.

pgp. Madrid, NZZ Online, 9. Juni 2008

Algerien wird wieder fast täglich von Terroranschlägen heimgesucht. Am Sonntagabend gab es, wie gemeldet, bei einem doppelten Sprengstoffanschlag etwa 60 Kilometer östlich von Algier in Beni-Amrane 13 Todesopfer. Bereits am letzten Mittwoch hatten zwei Bombenanschläge gegen eine Kaserne und ein Strandcafé in Bordj el Kiffan an der östlichen Peripherie von Algier 6 Verletzte gefordert und einen Attentäter das Leben gekostet, und am Donnerstag wurden bei einem Attentat in Cap Djenet, 50 Kilometer östlich der Hauptstadt, 6 Soldaten getötet und 4 weitere verletzt.

Terror des Kaida-Ablegers

Zu den Opfern am Sonntag bei Beni-Amrane gehört ein Ausländer. Die erste Bombe wurde ferngezündet, als das Auto eines Ingenieurs des französischen Unternehmens Razel das Gelände von Bauarbeiten an der nach Lakhdaria führenden Bahnlinie verliess. Der Franzose und sein algerischer Fahrer kamen dabei um. Die zweite Bombe explodierte etwas später, als Helfer und Sicherheitskräfte zur Stelle waren; dadurch wurden weitere 11 Personen getötet. Bis Montagmittag hatte noch niemand die Urheberschaft für die Tat beansprucht, doch es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Kaida im islamischen Maghreb, wie sich der frühere Groupe salafiste pour la prédication et le combat seit September 2006 nennt, den Anschlag verübt hat.

Nach ihrer Konstituierung als Kaida-Ableger hatten die extremistischen algerischen Islamisten mit Bombenanschlägen – oft Selbstmordattentate – in regelmässigen Abständen begonnen, die bis Ende letzten Jahres etwa 150 Tote und zahlreiche Verletzte forderten. So kamen im April 2007 bei einer Explosion vor dem Regierungspalast im Zentrum von Algier 30 Personen um. Im September wurden bei einem Attentat während eines Besuchs von Präsident Bouteflika in Batna im Osten des Landes 22 Personen getötet, und beim Angriff auf eine Station der Küstenwache in Dellys an der Küste der Kabylei kamen 32 Soldaten ums Leben. Im Dezember forderten Explosionen von Autobomben in Algier 41 Todesopfer.

Seither freilich blieben Attentate dieser Art, die gegen Zivilisten gerichtet sind, aus. Die Behörden glaubten, sie hätten die Lage unter Kontrolle gebracht – bis die neue Serie begann. Der Anschlag vom Sonntag hat ausserhalb Algeriens besondere Aufmerksamkeit erregt, weil er sich gegen eine ausländische Firma richtete und weil erstmals seit den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in den neunziger Jahren (damals waren laut der Agentur AFP 71 Ausländer, unter ihnen 22 Franzosen, bei Attentaten ums Leben gekommen) ein Ausländer getötet wurde. Bereits im letzten September waren allerdings bei Lakhdaria 3 ausländische Angestellte von Razel bei einem Bombenanschlag auf ihr Fahrzeug verletzt worden, und Attentate auf Busse anderer ausländischer Unternehmen hatten bereits im Dezember 2006 stattgefunden. Seither haben die Angehörigen von französischen Angestellten Algerien grösstenteils verlassen. Die Sicherheitsvorkehrungen der ausländischen Firmen wurden verstärkt.

Beunruhigung in Paris

Die französische Regierung, der viel an der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zur ehemaligen Kolonie liegt, ist sichtlich beunruhigt. Aussenminister Kouchner, der letzte Woche an einem Forum zur Vorbereitung der Mittelmeer-Union von EU und Südanrainern in Algier gewesen war, räumte am Montag ein, dass Algerien ein gefährliches Land sei. Er hielt die dort residierenden Landsleute zur Vorsicht an, unterstrich aber, dass die Präsenz französischer Unternehmen sehr wichtig sei. Präsident Sarkozy hat die Bombenanschläge als barbarische Gewaltakte verurteilt und versicherte Bouteflika der vollen Solidarität Frankreichs.

Algier korrigiert die Opferzahl

Algier, 9. Juni. (Reuters/dpa) Das algerische Verteidigungsministerium hat Medienangaben über die Zahl der Toten beim Anschlag von Beni-Amrane korrigiert. Es habe am Bahnhof von Beni-Amrane 2 Tote gegeben und nicht 13, erklärte es. Die Opfer seien ein Franzose, der in Beni-Amrane gearbeitet habe, und sein Fahrer.