Der Präsident und die Omnipräsenz des Fernsehens

Der Präsident und die Omnipräsenz des Fernsehens

Die meisten algerischen Medien stehen unter direkter Kontrolle des Militärs – Werbung als Druckmittel

Hehn und A. B. Lahouari, Die Welt, 21. Dezember 1999

Paris – Schon im Präsidentschaftswahlkampf, noch deutlicher aber auf seiner Werbetour für das erfolgreiche Referendum über seine Politik der nationalen Aussöhnung, hat Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika gezeigt, dass er mit den Medien umzugehen und sie für seine Ziele einzuspannen versteht. Endlich ein Präsident, der zu allen Algeriern spricht, loben die einen Bouteflikas Omnipräsenz im staatlichen Fernsehen. Andere, wie der frühere Premierminister Sid Ahmed Ghozali, kritisieren, dass sich der Präsident des Monopols des Fernsehens zu bemächtigen suche – und zwar zu seiner alleinigen Verfügung.

Ghozalis Kritik an der Kontrolle der öffentlichen Medien durch die politische Macht ist in Algerien nicht unüblich. Dass aber ausgerechnet er sie ausspricht, ist sonderbar. Als Regierungschef hatte er den Algeriern « freie und ehrliche » Wahlen versprochen. Dennoch befürwortete er, dass das Militär im Januar 1992 den Prozess der Demokratisierung stoppte. Im dadurch ausgelösten blutigen Bürgerkrieg starben nicht nur mehr als 100 000 Menschen. Auch die Medien wurden geknebelt. Zeitungen, die sich nicht an die strengen Auflagen hielten, wurden verboten und sind bis auf wenige Ausnahmen von der Bildfläche verschwunden.

Seit dem Amtsantritt Bouteflikas scheinen die Medien mehr Freiheit zu genießen. Doch der Eindruck täuscht. Selbst der Präsident respektiert bisher, dass das Fernsehen zum direkten Einflussbereich jenes Militär-Clans gehört, der gerade in Algerien die größte Machtfülle auf sich vereint. Warum sonst würde Bouteflika Mitarbeiter des inneren Militärkreises an die Spitze des Ministeriums für Information und des Fernsehens berufen? Offenbar will der Präsident seine zahlreichen Botschaften unter die Leute bringen.

Das algerische Staatsfernsehen scheint abgeschottet, ohne den Segen des Militärischen Sicherheitsdienstes flimmert kein Bild über die Mattscheibe. Selbst der Präsident genieße hier keine Sonderrechte, versicherte ein früherer Generaldirektor der Fernsehanstalt. Und sollte Bouteflika wirklich einmal überraschend im TV-Studio auftauchen, um eine Erklärung an seine Landsleute abzugeben, dann würden es die militärischen Sicherheitsleute zu verhindern wissen, dass dies « live » geschehe.

Eine kaum weniger strikte Kontrolle wird über die Printmedien ausgeübt. Als auf den Sitz der Zeitung « El Moudjahid » ein Bombenanschlag verübt wurde, druckte das Blatt am nächsten Tag wie alle anderen Zeitungen die offiziell genehmigte Agenturmeldung, die da lautete: « Wie es heißt, soll am Sitz der Zeitung . . . eine Bombe explodiert sein. »

Als ideales Druckmittel erweist sich die vom Militärregime kontrollierte Nationale Werbeagentur (ANEP). Sie kontrolliert rund 80 Prozent der Werbung und des Anzeigengeschäftes. Nach Gutdünken kann das Regime aber auch das Abonnement für die staatliche Nachrichtenagentur, die Preise der staatlichen Monopoldruckereien erhöhen oder sich auch bei der Zuteilung des Rotationspapiers, an dem ständig Mangel herrscht, knauserig zeigen. Dies alles sind Mittel und Wege, um sich die Medien gefügig zu halten. In der Praxis sieht das dann so aus, dass etwa 45 Prozent des Umfanges der Zeitungen, die sich an die Vorgabe halten, negativ über die Islamische Heilsfront (FIS) zu berichten, mit Werbung gefüllt werden – ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.

Widerspenstigen droht nicht nur wirtschaftlicher Ruin. Mut zur Kritik am Regime und am Terror haben viele algerische Journalisten nicht nur mit Gefängnisstrafen, sondern auch mit ihrem Leben bezahlen müssen. Ein Gesetz, das Journalisten nicht mehr mit Gefängnis bestraft, sondern die Verlage zu Geldbußen verurteilt, liegt gerade dem Senat zur Beratung vor. Doch es scheint keine Priorität zu haben.

Die auflagenstärksten Zeitungen in Algerien erscheinen in arabischer Sprache. Mit 400 000 Exemplaren liegt « El Khabar » (« Information ») an erster Stelle. Berühmt wurde sie, als sie 1992 einen als Anzeige getarnten Aufruf des vor einem Monat ermordeten FIS-Führers Abdelkader Hachani veröffentlichte, aus der Armee zu desertieren. Harte Sanktionen des Militärregimes haben die Zeitung von ihrem ehemals der FIS nahen Kurs auf eine panarabische Linie einschwenken lassen. Andere auflagenstarke arabische Zeitungen wie « El Djazair El Youm » (« Algerien Heute »), « El Hiwar » (« Dialog ») und « Essaha-Fa » (« Die Wahrheit ») haben ihren FIS-freundlichen Kurs mit dem Untergang bezahlt.

Bemerkenswert ist es, dass die französischsprachige Presse mit dem Amtsantritt Bouteflikas wieder an Boden zu gewinnen scheint – obwohl Arabisch die offizielle Amtssprache ist. Die häufigen öffentlichen Auftritte des Präsidenten, bei denen er, obwohl scharf kritisiert, französisch spricht, mögen dazu beigetragen haben. Die bedeutendsten französischen Blätter, die alle auf eine Auflage von über 100 000 Expemplaren kommen, stehen alle in Gegnerschaft zur FIS und sind vom Militärischen Sicherheitsdienst unterwandert.

Über die von dem bekannten Journalisten Omar Belhouchet geführte französischsprachige « El Watan » heißt es ohne Ironie, dass sie die Meinung ihrer 20 Journalistenaktionäre widerspiegele, hinter denen je eine Partei und ein General stehe. Unter den frankophonen Zeitungen hat inzwischen die von dem Ex-Kommunisten Mohamed Benchicou geführte « Le Matin » die Nase vorn. Streng laizistisch und den Kommunisten nahe stehend, widmet sich das Blatt vor allem den Interessen der Arbeiterklasse. Ein Sonderfall ist die Zeitung « L’Authentique », die von Mohamed Betchine kontrolliert wird, dem früheren Chef des Militärischen Sicherheitsdienstes und engsten Berater von Ex-Präsident Liamine Zéroual. Betchine hat sich ein regelrechtes Presseimperium zusammengekauft, zu dem « Demain l’Algérie » und « El Acil » gehören. Vor einem Jahr durch die Armee zum Rücktritt gezwungen, wartet der einflussreiche General, der auch noch einen privaten Fernsehsender gründen will, auf seine Stunde.

Auf der Strecke sind in der algerischen Medienlandschaft die Blätter der Islamisten geblieben. Prominentestes Opfer ist « El Mounkid », das Organ der FIS mit über 300 000 Exemplaren. Den Mangel an Zeitungen machen die Anhänger der FIS durch andere Mittel wett. In den Moscheen werden fünf Mal am Tag Handzettel verteilt. Außerdem werden Radio- und Videokassetten mit Reden von Ali Belhadsch, der immer noch in Haft sitzenden Nummer zwei der FIS, feilgeboten. Sie sind inzwischen in Algerien zum Renner geworden.

Schulden-Falle

Die « freien » algerischen Zeitungen, allen voran « Le Matin », genießen in der Bevölkerung hohes Ansehen. Im Herbst 1998 konnten sie tausende Demonstranten gegen die Regierung mobilisieren, nachdem ihnen das Erscheinen unter dem Vorwand, sie hätten ihre Druck- und Papierrechnungen nicht bezahlt, wochenlang verwehrt worden war. Sie hatten zuvor hohe Kreise in Militär und Politik scharf wegen Korruption, Klientelismus, Zollvergehen und Kriegsgewinnlertum kritisiert. Der Vorwurf, die Zeitungen hätten ihre Rechnungen nicht beglichen, war allerdings nicht aus der Luft gegriffen. Das staatliche Monopol setzt die Preise fest, die gerade von kritischen Blättern nicht bezahlt werden können, weil denen die staatliche Werbeagentur die Anzeigen verweigert. Ein Abkommen, das eher ein Gnadenakt der Regierung ist, erlaubt es der Presse, Schulden anzusammeln, bis über an den Weltmarktpreisen für Druck und Papier orientierte, niedrigere Produktionskosten verhandelt wird. So obliegt es der Regierung, jederzeit die Schulden-Karte zu ziehen, wenn ihr etwas nicht passt. Freiheiten nimmt sich die Presse daher mehr und mehr im Internet:

www.lematin-dz.com

www.elwatan.com

www.liberte-algerie.com

www.latribune-online.com

« La Nation » (Printausgabe verboten): www.calvacom.fr/rsf/dazibao/