Schwere Vorwürfe gegen die Behörden Algeriens

Schwere Vorwürfe gegen die Behörden Algeriens

Förderte vernachlässigte Kanalisation Flutkatastrophe?

Von Axel Veiel (Madrid), Frankfurter Rundschau, 13. November 2001

Nach den sintflutartigen Regenfällen und Erdrutschen vom Wochenende haben Armee und Feuerwehr in Algier die Suche nach Ertrunkenen und Verschütteten fortgesetzt. Gegen die Behörden werden schwere Vorwürfe erhoben, denn allein in der Hauptstadt sind mindestens 540 Tote zu beklagen, viele werden vermisst. Im gesamten Norden des Landes sind fast 600 Menschen ums Leben gekommen.

Während die Behörden von einer Naturkatastrophe sprachen, mehrten sich am Montag die Stimmen, die den Staat zwar nicht für die Flut, wohl aber für deren Folgen verantwortlich machen. Die städtische Kanalisation sei vor Beginn der Winterregen nicht ordnungsgemäß gewartet und gereinigt worden, warf Outoudert Abrous der Stadtverwaltung vor, der Chefredakteur der Tageszeitung Liberté. Verärgerung, ja Verbitterung hat auch hervorgerufen, dass einige Hauptadern der Kanalisation offenbar seit 1998 zubetoniert sind. Die Rohre waren versiegelt worden, damit Terroristen der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) dort kein Versteck mehr finden sollten.

Ein Sprecher des für den Großraum Algier gebildeten Krisenstabs wies allerdings zurück, dass die Versiegelung der Abwasserrohre das Ausmaß der Katastrophe verschlimmert habe. Angesichts des hügeligen Geländes der Stadt und der Wucht der Wassermassen sei das Unheil nicht zu vermeiden gewesen.

Doch nicht nur die Kanalisation, auch die Bauaufsicht haben die Behörden offenbar vernachlässigt. Nach Berichten mehrerer Zeitungen pflegte die Stadtverwaltung die immer dichtere Besiedelung der stark abschüssigen, erdrutschgefährdeten Hänge der Kasbah und des volkstümlichen Stadtviertels Bab El Oued hinzunehmen.

Vor den Wohnungsämtern der Stadt bildeten sich am Montag lange Schlangen. Regierungschef Ali Benflis hat den Opfern nicht nur finanzielle Unterstützung versprochen, sondern auch Unterkunft. Für 1500 obdachlos gewordene Familien würden Wohnungen bereitgestellt.

Bis zum Wochenende hatte Algier monatelang unter der Trockenheit gelitten. Alle drei Tage nur war zuletzt in Küche oder Bad etwas Wasser aus dem geöffneten Hahn geflossen. Dann stürzte das Entbehrte auf einmal im Übermaß vom Himmel, 36 Stunden lang. Der ausgedörrte Boden im Hinterland konnte die Fluten nicht aufnehmen. Die meterhohen braunen Wassermassen rissen mit sich, was nicht verankert und verwurzelt war. Und die Meteorologen erwarten weitere Regenfälle.

Taifun erreicht Vietnam

mkb JAKARTA. Der Tropensturm « Lingling » hat Vietnam erreicht. Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern zerstörten Häuser, entwurzelten Palmen und Bäume. Nach Medienberichten sind bislang 10 Menschen ums Leben gekommen. Genaue Angaben gibt es nicht, weil viele Telefonleitungen zerstört sind. Rettungsaktionen sind kaum möglich, nach starkem Regen sind viele Straßen überschwemmt. « Lingling » kam von den Philippinen, wo der Sturm in der vergangenen Woche auf mehreren Inseln Landstriche verwüstet hatte. Bislang sind dort 270 Leichen geborgen worden.

Der Sturm war drei Tage lang über offenes Meer gezogen, dabei nahm seine Stärke zu. Als Taifun erreichte er in der Nacht zum Montag die Küste Vietnams. Tausende von Menschen waren evakuiert worden, aber das betroffene Gebiet ist zu groß, nicht alle Einwohner konnten in Sicherheit gebracht werden. Truong Ngoc Nhi, ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzes, gibt zu, « dass wir nicht die Kapazitäten haben, gegen den Taifun anzugehen ». Weil « Lingling » Vietnams stärkster Sturm der letzten 15 Jahre ist, ist mit vielen Toten zu rechnen. 1999 starben rund 730 Menschen bei Überschwemmungen, in diesem Jahr bereits mehr als 400.

 

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Dokument erstellt am 12.11.2001 um 22:08:50 Uhr
Erscheinungsdatum 13.11.2001