Doppelspiel der Ermittlungsbehörden?

Doppelspiel der Ermittlungsbehörden?

Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen (SAGA)
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Steinen/Lörrach

Nach dem Schusswaffeneinsatz der Polizei anlässlich des Abschiebeversuchs einer algerischen Familie in Steinen b. Lörrach am 1.9.99 werden durch die Staatsanwaltschaft Lörrach nunmehr Ermittlungen geführt.

Obwohl der Sachverhalt mindestens für die Ermittlungsbehörden völlig offen sein sollte, wurden die Ermittlungen dennoch primär gegen den Familienvater geführt, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen versuchter Körperverletzung gegen die Polizei. Damit ist der wahrscheinlichste Sachverhalt völlig auf den Kopf gestellt.

Der Sachverhalt ist in folgenden Hauptpunkten völlig klar: Die Polizei will – mit uralten Papieren aus dem Asylverfahren – am 1.9.99 die Abschiebung durchsetzen. Der Familienvater war zu dieser Uhrzeit (7.30.) gerade dabei, für seine Kinder das Frühstück zuzubereiten. Er bittet um einen Aufschub, die Polizei aber will in 30 Min. abfahren.

Um die Zeit zu überbrücken, da sein Rechtsanwalt um diese frühe Uhrzeit nicht erreichbar ist, will er sich auf das Dach zurückziehen. Zu diesem Zweck muss er – seine Unterkunft liegt im 4. Stock – durch das Küchenfenster auf das Dach steigen. Er wird im Oberschenkel angeschossen, als er versucht, den Fenstersims zu erklimmen. Der Schuss trifft ihn von der Seite in den Oberschenkel. Dadurch stürzt er zu Boden und wird von einem zweiten Schuss in den Beckenbereich getroffen, der die Blase verletzt.

Diesen unmittelbaren Sachverhalt können allein der hieran unmittelbar beteiligte (bewaffnete) Polizist sowie der Angeschossene direkt wiedergeben. Dennoch werden die Ermittlungen auf den Kopf gestellt, gegen den Familienvater wird wegen Widerstands ermittelt, der Polizist verweigert derzeit die Aussage. Sein Rechtsanwalt möchte offenbar zunächst die Aussage des Algeriers erfahren, bevor er selbst seine Version zurechtlegt.

Als Zeuge für die Angaben des Algeriers ist ein Freund der Familie zu Informationen bereit; er war in der Zeit der Abschiebung in der Wohnung anwesend, konnte jedoch – wie auch die beiden anderen beteiligten Ordnungshüter – den unmittelbaren Ablauf der Ereignisse nicht beobachten, da die Küche infolge der engen Wohnverhältnisse nicht zugänglich war. Er habe nie im Leben daran gedacht, daß hier ein realer Schusswaffeneinsatz praktiziert wird.

Die Duldung der Familie läuft am 1.10.99 ab, die zuständigen Behörden haben bis heute nicht erkennen lassen, diese Duldung zu verlängern.

Freiburg, 27.9.99